zum Hauptinhalt

Kultur: Lebensretter

ALL THAT JAZZ Christian Broecking freut sich auf ein überraschendes Weihnachtsgeschenk Als Peter Niklas Wilson Mitte der Neunzigerjahre in New York lebte, um für ein neues Buch zu recherchieren, konnte man ihn einmal in der Woche durchs Lower East Village eilen sehen, auf dem Weg zu einer Probe. Er trug seinen Kontrabass in einen großen Mehrzweckraum, wo nach und nach eine ganze Reihe weiterer Musiker eintrafen.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking freut sich auf

ein überraschendes Weihnachtsgeschenk

Als Peter Niklas Wilson Mitte der Neunzigerjahre in New York lebte, um für ein neues Buch zu recherchieren, konnte man ihn einmal in der Woche durchs Lower East Village eilen sehen, auf dem Weg zu einer Probe. Er trug seinen Kontrabass in einen großen Mehrzweckraum, wo nach und nach eine ganze Reihe weiterer Musiker eintrafen. Jetzt fing das warten an: Ob der Mann, wegen dem man sich versammelt hatte, überhaupt kommen würde, war den Versammelten manchmal auch zwei Stunden später noch nicht klar. Doch irgendwann tauchte der Free-Music-Innovator Cecil Taylor tatsächlich auf, und die Probe begann.

Wilson ging es darum, dabei zu sein. Diese Freiheit zu spüren, den Moment, den Kick, das Paradies des improvisierenden Musikers. Als er Jahre später über die „soziale Irrelevanz improvisierter Musik“ referierte, brachte er theoretische Forschung und praktische Erfahrung zusammen. Das Berliner „ Total Music Meeting “ war in diesem Jahr dem kurz zuvor verstorbenen engagierten Musikwissenschaftler und Musiker Peter Niklas Wilson gewidmet, das bedeutsamste Konzert kam vom Cecil Taylor/Tony Oxley Duo. Es überragte alles, was beim parallel verlaufenden Berliner JazzFest angeboten wurde. Die Kämpfe gegen das Mainstream-Establishment der Sechzigerjahre haben in den Gesichtern dieser Musiker tiefe Spuren hinterlassen, ihre Improvisationen zeugen von gelebter Erfahrung. Sie brechen die Gesichtslosigkeit im heutigen Jazz auf, und stellen doch einfach nur fest, dass der Hype um Jugend, Designerklamotten und Lifestyletauglichkeit das wirkliche Leben und die richtige Musik nicht ersetzen kann.

Das aktuellste Statement zum Freiheitsgrad in der Musik des Pianisten Cecil Taylor kommt vom New Yorker Bassisten William Parke: „Was ich bei Mr. Taylor lernte, war, dass musikalische Stilistik keine Bedeutung hat. Als ich mit Cecil spielte, konnte ich mich entscheiden, ob ich Bossa Nova oder Blues spielen wollte, ich konnte aus all den Sounds wählen, die in der Welt existieren, und das zeigte mir, wie weit man gehen kann – grenzenlos. Freiheit in der Musik bedeutet, dass man die Freiheit hat, alles zu spielen, was man möchte. Wir sind dazu da, Leben zu retten.“ Das ungewöhnlichste Weihnachtsgeschenk kommt in diesem Jahr von der Free Music Production – sie verkündet, dass Cecil Taylor und Tony Oxley am Mittwoch um 22 Uhr im b-flat spielen (Kartenreservierung unter Tel. 323 75 26).

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false