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Kultur: Leerzeichen

Das Werk von Hans Ticha in der Galerie Läkemäker.

Seit den 1970er Jahren hat er die Nachrichten der „Aktuellen Kamera“ aufmerksam verfolgt und Zeitungsfotos vor allem aus dem „Neuen Deutschland“ gesammelt: Fahnenübergaben, Ordensverleihungen, Bruderküsse und Umarmungen der Parteiführer, Fähnchenschwenker, Beifallskundgebungen, Vorbeimärsche an Tribünen mit hoher Politprominenz. Sie dienten ihm als Vorlage für seine eigenen Bilder. Die meisten standen hinter seiner verschlossenen Ateliertür und konnten erst nach dem Ende der DDR gezeigt werden.

Den vor allem als Buchgestalter und Illustrator bekannten Hans Ticha, der in den neunziger Jahren Berlin verließ, hat Galerist Johannes Zielke nun an seine einstige Wirkungsstätte, den Prenzlauer Berg, zurückgeholt und zeigt seine Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus mehr als drei Jahrzehnten. An Tichas meist großformatigen Bildern fällt ihre provokant plakative Farbigkeit auf, die Dominanz runder, normgerechter Formen und geometrischer Figuren, gesichtsloser Marionetten. Buchstaben und Zahlen werden zeichenartig in die Komposition eingefügt, dazu Elementarformen wie Kreis, Dreieck und Viereck. Scheinbar reibungslos wie ein Uhrwerk funktionieren die menschlichen Beziehungen, alle Leidenschaft ist verbraucht oder im Ritual erstarrt. Ticha geißelt die Konformität der Politik: die leeren Ansprachen und Schlagworte, die Phrasendrescherei, das Versprechen einer besseren Zukunft. Sein Marionettenmann knüpft direkt an George Grosz’ „Republikanische Automaten“ (1920) an, aus deren leeren Eierschalenschädeln ein nicht enden wollendes Hurrageschrei kommt. Auch Ticha schafft Gliederpuppen mit Kugelgelenken, die man nach Belieben biegen, verrenken oder austauschen kann.

Ein Rundkörper mit kleinem Kopf und riesigen Händen, die sich im rhythmischen Klatschen bewegen („Klatscher auf orangefarbenem Grund“, 1982/91). Beifallspendende Fähnchenschwenker in unterschiedlichen Haltungen („Fahnenelemente“, 1982). In gleicher Weise setzt sich Ticha mit den Erscheinungsformen im wiedervereinigten Deutschland – den Werbekampagnen und Manipulierungspraktiken – auseinander. Ein sauber geteilter Frauenkörper wird zum Schnäppchenpreis angeboten („Ab 20,90“, 2001). Man mag seine Arbeiten nun als Bildparabeln hoch- oder als „Gebrauchskunst“ geringschätzen, in jedem Fall provozieren sie, niemand kann an ihnen unbeteiligt vorbeigehen. Wie sagte der Regisseur und Bürgerrechtler Konrad Weiß, als er 1990 mit Tichas Arbeiten konfrontiert wurde: „Die Bilder von gestern können meine Kraft von morgen sein.“ Klaus Hammer

Galerie Läkemäker, Schwedter Str. 17; bis 20. 7., Mi–Sa 14–18 Uhr

Klaus Hammer

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