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Kultur: Legende vom Herrenkorsett

AUSSTELLUNG

Ein farbenprächtiger Reigen bizarr kostümierter Gestalten: blasierte Dandys in eng geschnürten Gehröcken neben affektierten Damen mit Hochfrisuren. „Ridikül! Mode in der Karikatur 1600-1900“ ist der Titel der weltweit ersten umfassenden Präsentation der einst erfolgreichen Gesellschaftskarikaturen in der Berliner Kunstbibliothek (bis 15. Februar) . Ridikül (französisch: lächerlich) hieß auch das verzierte Beuteltäschchen, das in der Blütezeit europäischer Modekarikatur um 1800 topmodern war.

Mit beißendem Spott wird der rasche Wandel modischer Exaltiertheiten vom Frühbarock bis zum Ende des bürgerlichen Zeitalters attackiert. Es ist von grotesker Komik, wie dünnbeinige Herren mit gepolsterten Wadenstrümpfen und deutlich konturiertem Schritt ihre Problemzonen kaschieren. Einige Blätter veranschaulichen die Leiden der Damen beim Schnüren der Wespentaille mittels seltsamer Apparaturen. Frühzeitig entwickelte sich auch eine nationalpolitische Dimension – französische Dekadenz gegen schlichten englischen Stil. In den englischen Schabkunstblättern, den so genannten „Macaronis“, wird die Frankophilie treffend aufs Korn genommen. Der Großteil der180 Druckgraphiken aus Deutschland, England und Frankreich stammt aus den Beständen der Lipperheideschen Kostümbibliothek. Hinzu kommen historische Kleidungsstücke, darunter eine originale Stahlreifen-Krinoline und ein Herrenkorsett aus Fischbein-Stäben. In der Gegenüberstellung der Karikaturen mit den realen Objekten liegt der besondere Reiz dieses amüsanten Mode- und Gesellschaftspanoramas. Und unser heutige Mode- und Schönheitsindustrie? Die schreit auch nach Satire.

Petra Schröck

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