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Foto: Arne Dedert/dpa

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Kultur: Legenden des Weltgeists

Dem Schriftsteller Umberto Eco zum 80.

Er ist nicht nur ein großer wahrer Märchenerzähler, nein, er bildet selber eine Legende. Bevor Umberto Eco 1980 mit seinem Debütroman „Der Name der Rose“ auf einen Schlag weltberühmt wurde, war er ja schon wer. Aber wer?

Ein Buchhaltersohn aus dem oberitalienischen Piemont, sein Geburtsort heißt Alessandria. Schon diese Herkunft wirkt symbolisch, weil der Vaterberuf und der Name der Vaterstadt beide das „Buch“ wachrufen. Als die legendäre Bibliothek des ägyptisch-römischen Alexandria zu Anfang der Neuzeit in Flammen aufging, worüber Historie und Legende gleichfalls streiten, könnte darin auch das bis heute verschollene Zweite Buch der „Poetik“ des Aristoteles verbrannt sein. Laut Eco war es die Poetik der Komödie, des Lachens, des menschlichen Witzes. Und eben hierauf beruht die Pointe jenes zu mönchischen Morden, Intrigen sowie einem neuerlichen finalen Brand führenden Klosterkrimis „Der Name der Rose“.

Legenden: Zuallererst galt Umberto Eco als ein unter Wissenschaftlern hoch angesehener und wegen seines mit aller Gelehrsamkeit konkurrierenden Witzes auch bei seinen Studenten geschätzter Professor. Ein Semiotiker der Universität Bologna – und was ein solcher Lehrer für Zeichen, Sprache und Bedeutungen eigentlich lehrt, wussten lange Zeit auch nur die Leser seiner semiotischen Fachbücher. Diese Leser allerdings hatten sich bald auf der ganzen Welt verbreitet, und Professore Eco wurde zum akademischen Star.

Freilich hatte der junge Wissenschaftler nach einer Promotion über ästhetische Fragen in der Kirchenlehre des Thomas von Aquin seine Karriere nicht an der Uni begonnen. Sondern beim Fernsehen. Bei der gerade gegründeten Television des Staatssenders RAI wollte er in Mailand ein Kulturprogramm aufbauen. Später wurde er Verlagslektor und trat als scharfsinniger Kolumnist in großen Zeitungen hervor: ein Semiotiker, der die Zeichen der neuen Zeit früh erkannte.

Der große Geist steckt in einem kleinen, rundlichen Mann, dessen Schädel nicht umsonst die Form eines Globus hat. „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ – auf niemanden könnte Francis Picabias bekannter Aphorismus besser zutreffen als auf Umberto Eco. Auch im persönlichen Gespräch ist er von sprühender Ironie, gepaart mit der Freundlichkeit und Höflichkeit, für die es keinen schöneren Begriff gibt als die italienische „gentilezza“. Ein Italiener und Kosmopolit. Gegen Berlusconi, für Europa und die Welt. Er hat gut 40 Bücher geschrieben, sein jüngster Roman „Der Friedhof in Prag“ ist gerade wieder ein Weltbestseller; ihm waren die Geisteslabyrinthe von Borges so signifikant wie die deutschen „Derrick“-Krimis (als Maß der Mittelmäßigkeit), die Dramaturgien des Pornofilms so öde und zugleich reizvoll wie „Platon im Striptease-Lokal“. Jetzt wird er 80, auf seine übersinnliche Weise. Tanti auguri! P.v.B.

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