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Martin Walser signiert a auf der Leipziger Buchmesse seinBuch "Meine Lebensreisen".

© dpa

Leipziger Buchmesse: Reizklima

Analog? Digital? Die Messe feiert die Bücherkrise weg. Das Publikum strömt, nach zwei Tagen sollen es drei Prozent mehr Besucher als im Vorjahr gewesen sein.

Das Schöne an der Leipziger Buchmesse ist, dass sie in ihrer Eigenschaft als Großevent den Eindruck vermittelt, in der Buchbranche sei alles bestens. Die schwierige Situation des Handels nach einem sehr flauen Jahresanfang, die Krise der großen Buchhandelsketten, der Strukturwandel durch die Digitalisierung, die Debatte um das Urheberrecht, die Nervosität – in diesen Buchmessetagen wird all das gewissermaßen zu- und weggefeiert.

Das Publikum strömt, nach zwei Tagen sollen es drei Prozent mehr Besucher als im Vorjahr gewesen sein, die die jungen Menschen in Manga-Kostümen bestimmen Samstag und Sonntag das Erscheinungsbild in den Messehallen. Und vor allem präsentieren sich die Schriftsteller auf den großen Lesebühnen der Fernsehsender, Zeitungen und Verlage mit ihren neuen Büchern. „Leser lieben Leipzig“ steht auf den Plakaten überall in der Stadt, „Willkommen zum größten Lesefest Europas!“ Zu sehen ist darauf ein junger Mann (ja, ein lesender Mann!), wie er in der Glashalle des Messegeländes gemütlich in einem Sessel sitzt, mit einem analogen (!) Buch in der Hand, neben sich einen Stapel Bücher und eine Lampe. Das mag nicht mehr die moderne Leserealität darstellen, die zukünftige womöglich noch weniger. Es symbolisiert jedoch schön, dass in Leipzig die Bücher, deren Inhalte und Verfasser, sowie das Publikum die Hauptprotagonisten sind.

Hier gibt es auch für einen Autor wie Reinhard Öser die Gelegenheit, über „Kriegsschrott in der Ostsee“ zu referieren, darüber, dass, wie im Programmheft ankündigt, „Wracktauchen in der Ostsee ohne Zweifel eine faszinierende Beschäftigung ist“. Oder man diskutiert lieber die Frage, ob das Feuilleton ausstirbt oder lebendiger ist denn je, als etwa über Sinn oder Unsinn von E-Book-Bestsellerlisten zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Auch Spiegel Online führt im Übrigen jetzt eine.

Und hier wandert der große Péter Nádas von Bühne zu Bühne und beharrt im Gespräch mit Wolfgang Herles unbeeindruckt darauf, nicht über Sex und, nein, auch nicht über Sexualität geschrieben zu haben, sondern über Erotik. Und er räumt ein, nach seinen „Parallelgeschichten“ nie wieder einen Roman zu schreiben. Auch Felicitas Hoppe lässt sich durch irrlichternde Fragen nicht beirren und erklärt am 3sat-Stand der Moderatorin, mit „Hoppe“ wahrlich keinen Roman über das Aufwachsen in den siebziger Jahren verfasst zu haben. Und dass ihr Roman zwar überall in der Welt spiele, aber durchaus deutsche Geschichtsschreibung sei.

Den schönsten Satz der Messe hat am Freitagabend aber der unermüdliche, wie ein Prediger wirkende Martin Walser gesagt: „Ich habe mein Leben verbracht im Reizklima des Rechthabenmüssens!“

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