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Leipziger Kunstszene: Die Spinnerei lockt tausende Besucher an

Die Leipziger Baumwollspinnerei war einst Europas größtes Spinnwerk, inzwischen ist sie einer der anziehendsten Punkte in der gesamtdeutschen Galerieszene. Ihr Ruf reicht bis nach New York.

Leipzig - Im Jahr 1884 entstand im Leipziger Westen eine riesige Fabrikstadt mit einer Baumwollspinnerei, die später die größte Europas werden sollte. Bis zu 4000 Menschen arbeiteten bis zur Wende in den großen, roten Backsteingebäuden. Heute ist die Spinnerei der Inbegriff für moderne Kunst geworden. In den vergangenen zwölf Jahren siedelten sich in den historischen Fabrikhallen etwa 80 Künstler der bildenden Kunst, Modedesigner, Architekten, Galeristen, Handwerker, Architekten und andere Gewerke an.

Bis nach New York habe es sich inzwischen herumgesprochen, dass die Spinnerei in Leipzig heute der Ort mit der höchsten Kunstdichte Deutschlands sei, sagt der Geschäftsführer der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH, Bertram Schultze. Bei Galerienrundgängen wie an diesem Wochenende zeigen Künstler zwei Mal im Jahr ihre neuen Werke und locken eine Schar mehr oder weniger kunstverständiger Besucher aus dem In- und Ausland in die Galerien und Ausstellungshallen.

Tausende Besucher im Osten Leipzigs

Auch am Samstag und Sonntag waren wieder Tausende Menschen in der Spinnerei unterwegs - die meisten zum Schauen, einige wenige zum Kaufen. In Scharen zog es die Neugierigen in die Galerie "Eigen + Art", wo der international bekannte Leipziger Maler Neo Rauch in der Ausstellung "Der Zeitraum" seine neuesten Werke präsentierte. Die Nachfrage nach Bildern Rauchs sei mittlerweile so groß, dass er kaum noch mit Malen nachkomme, sagt Galerie-Mitarbeiterin Sarah Miltenberger. "Er hat die Malerei wieder auf die Bühne gebracht und die Nachfrage nach Malerei angekurbelt", fügt sie hinzu. Wer in Kunst-Kauflaune war, wurde allerdings enttäuscht. Alle ausgestellten Bilder Rauchs waren schon verkauft, meist an Museen. Über den Preis seiner Gemälde wird diskret Stillschweigen bewahrt.

Rauch hat wie zahlreiche andere Künstler sein Atelier in der Spinnerei. Wo es genau liegt, will Schultze nicht verraten. Der Geschäftsführer ist stolz auf die Entwicklung des einstigen Fabrikgeländes, wo sich Ende 1992 der erste Künstler unter damals noch sehr abenteuerlichen Bedingungen niedergelassen hatte. Jahr für Jahr zogen dann mehr hochrangige Mieter in die peu à peu sanierten Räumlichkeiten. Seit dem vergangenen Jahr finden sich hier auch alle namhaften Galerien Leipzigs, die zuvor meist in der Innenstadt verstreut waren.

Galerien, Künstler, Handwerker

Neben Künstlern und Galeristen sorgen Handwerker, Weinhändler, eine Werbeagentur, eine Porzellanmanufaktur und ein großer Künstlerbedarfshandel für einen ausgewogenen Mieter-Mix in der Spinnerei. "Hier findet man ein Konglomerat internationaler Adressen aus den verschiedensten Bereichen", berichtet Schultze. "From cotton to culture" heißt der Werbeslogan, mit dem ständig mehr Mietinteressenten in die einst so schmuddelige kleine Fabrikstadt gelockt werden. Etwa die Hälfte des 80.000-Quadratmeter-Areals sei vermietet, sagt Schultze.

Mittlerweile, so wird gemunkelt, soll es sogar schon längere Wartelisten geben. Angesichts dieser Situation ist Sandro Porcu froh, dass er sich bereits vor mehr als zehn Jahren für die Spinnerei als Ort zum Leben und Arbeiten entschieden hat. In seinem Atelier entstehen Kunstwerke, die bei den Galerienrundgängen regelmäßig auf großes Interesse des Publikums stoßen. An diesem Wochenende war es ein lebensecht wirkender glatzköpfiger Mann, der auf einem Bein auf einer Säule balancierte. Als Vorbild diente ein Berliner Schauspieler, der Porcu Modell saß. "Das Thema ist der Mensch, der ständig auf der Suche nach seinem Gleichgewicht ist", erklärt der Künstler, der sich bei dieser Arbeit von seinem Kollegen Rauch beraten ließ.

Ein Stück weiter sorgten Wolfgang Winter und Berthold Hoerbelt mit ihrem überdimensionalen, begehbaren und wippenden Kunstwerk "MMK-Museum mit Kisten" dafür, dass vor allem die Kids ihren Spaß hatten. Wer zu Hause genügend Platz für das gute Stück aus Getränkekisten hat, müsste dafür 85.000 Euro berappen. (Von Susann Huster, ddp)

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