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Kultur: Lenin am Laptop

Lassen wir die grauen Hütchenträger mal weg: das frustrierte Fußvolk auf den Parteitagen mit dem Ausdruck von Kleinfunktionären, gegen die ein mittelfränkischer Gewerkschaftstag wie eine Ansammlung von Hedonisten wirkt. Das ist bei der PDS alles nicht so wichtig.

Lassen wir die grauen Hütchenträger mal weg: das frustrierte Fußvolk auf den Parteitagen mit dem Ausdruck von Kleinfunktionären, gegen die ein mittelfränkischer Gewerkschaftstag wie eine Ansammlung von Hedonisten wirkt. Das ist bei der PDS alles nicht so wichtig. Wichtig ist das ganz andere, das jugendliche Gesicht. Es zeigt sich am liebsten im Berliner Zentrum, im PDS-Gebäude gegenüber der Volksbühne, bei Wahlfeten am Alexanderplatz, in den Studentenkneipen am Friedrichshain. Obwohl die PDS im Osten der Hauptstadt eigentlich das selbe Milieu bedient wie die CSU in Bayern, die schweigende strukturkonservative Mehrheit, für die nur entscheidend ist, dass die Zeit so langsam wie nur irgend möglich vergeht - die PDS ist hip. Und das liegt am Kommunismus. Das liegt daran, dass Gregor Gysi vor allem in seiner Frühzeit immer so ein Lederkäppi aufhatte, das fast aussah wie bei Lenin. Sozialistische Insignien, heimeliges Rot bestimmen die Atmosphäre der Szenekneipen in den Straßenzügen der Ostbohème, und das pastos verwaschene DDR-Design ist Kult. Das hat relativ wenig mit Politik zu tun, aber viel mit Lebensgefühl und Subkultur. Die PDS ist anders, sie ist nicht der Mainstream, sie ist sogar ein bisschen provokativ. Und damit genau das, was früher immer die Grünen waren.

Die knapp sieben Prozent, die die PDS im alten West-Berlin erhielt, haben nichts mit den grauen Hütchenträgern zu tun. Sie entspringen einem Milieu, das die Grünen nicht einmal mehr im Westen ganz erreichen und das im Osten flächendeckend von der PDS beherrscht wird. Bei den Jungwählern, bei Studenten, in den diffusen subkulturellen Szenen ist die PDS mittlerweile stärker als die Grünen, und diese Tatsache geht in ihrer Bedeutung weit über Randgruppen und Minderheiten hinaus. Es handelt sich um eine strukturelle Verlagerung. Die Annahme aus den frühen neunziger Jahren, das Phänomen PDS würde sich auf natürliche Weise von selbst erledigen, ist inzwischen widerlegt. Ja: Die PDS hat gewisse Chancen, die westlichste aller Parteien, die Grünen (Individualismus, Hedonismus, Freisinn), an den Rand zu drängen.

Die offenkundigste Ursache dafür ist, dass die Grünen durch ihre Regierungsbeteiligung Gefahr laufen, als korrumpiert angesehen zu werden. Sie sind gezwungen, Kompromisse zu machen, es geht um Pragmatismus und Realpolitik. Das ist Gift für jede Subkultur. Von daher wäre es eine heilsame Kur, wenn man die PDS der Regierungsverantwortung unterziehen würde. Sie verlöre wohl ziemlich schnell ziemlich viel von ihrer Aura - zumal neben einer SPD, deren Regierender Bürgermeister Diepgen bis zur Kenntlichkeit gleicht. Und es würde deutlich werden, was die PDS konkret zu leisten vermag: Ob Gregor Gysi es wirklich schafft, wie die CSU in Bayern Modernität und Stammesbrauchtum miteinander zu vereinen, Laptop und Lenin-Büsten. Das wäre dann nicht nur ethnologisch spannend.

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