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Mit weitem Herzen: Leonard Elschenbroich.

© Felix Broede

Leonard Elschenbroich in Berlin: Cellofluchten

Im Weddinger Piano Salon glänzt Leonard Elschenbroich als herausragender Cellist: Er entdeckt Herz bei Hindemith und taucht in Prokofjews Phantasien.

Wie die Welt, in der wir leben, eigentlich beschaffen ist, fragte sich wohl jeder an diesem Mittwochabend. Den etwa 200 Zuhörern, die es in den Weddinger Piano Salon Christophori treibt, merkt man ihre Erleichterung darüber an, hier angekommen zu sein. In einer ehemaligen Motorenbauhalle der BVG, an der schwarz dahin rinnenden Panke, öffnet sich eine zauberhafte Welt. Inmitten zahlloser Flügel und Hammerklaviere, lagernd in Teilen oder spielbereit, zwischen Werkstatt und Konzertbühne, privatem und öffentlichen Bereich, Weinglas und Spendentopf, entsteht, was anderswo gern beschworen wird: ein ideeller Raum. Sein Hüter Christoph Schreiber erinnert vor dem Konzert daran, dass es sich dabei um ein fragiles Konstrukt handelt. Als Neurologe und Klavierrestaurator hat er ein Gespür für Transmitter und Resonanzböden. Und für die Kraft, die frei wird, wenn man sich ganz in Musik versenkt.

Selten erlebt man ein Publikum so unangestrengt gespannt wie in Schreibers Salon, wo die Stars der Kammermusik Schlange stehen. Zum Beispiel, um ihre neue CD frei von jeglichem PR-Brimborium vorzustellen. Dieser Anlass führt auch Leonard Elschenbroich auf die Salonbühne, der aus der gegenwärtigen Fülle wunderbarer junger Cellisten mit stupender Klanganverwandlung und weitem Herzen herausragt. Doch zunächst bewegt er sich jenseits aller Playlists, allein im Reich persönlicher Überzeugungen: Er erinnert an seinen Großvater, den einzigen Berufsmusiker der Familie, der unter anderem bei Hindemith studierte. Dessen Sonate für Cello solo stellt Elschenbroich dem Abend voran: ein konsequent antiromantisch gestimmtes Werk von 1922. Doch die Dissonanzfolgen dienen dem Interpreten nicht für Distanzierungen. Warum, scheint Elschenbroich spielend zu fragen, sollte Bauhaus-Architektur kein Herz haben?

Leonard Elschenbroich verströmt Empathie

Als Duopartner nimmt Alexei Grynyuk am Steinway Platz, einem unter seinen uneitlen Händen bei aller Klangmacht nie unterwerfenden Instrument. Zusammen tauchen sie ein in die Traumwelten des späten Prokofjew, jene Fluchten, aus denen es kein Erwachen mehr gibt. Elschenbroich verströmt Empathie, die nicht wohlfeil, sondern erarbeitet, gefühlt ist. Rachmaninows g-moll-Sonate rauscht herrlich auf zwischen Flügel und Cello. Das Rotweinglas leert sich, und die Welt steht still.

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