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Mathias Rohe:Das islamische Recht. Eine Einführung.

Mathias Rohe:

Das islamische Recht. Eine Einführung. C.H. Beck, München 2013. 128 Seiten, 8,95 Euro.

Vor vier Jahren legte der Erlanger Islamwissenschaftler und Juraprofessor Mathias Rohe sein 600-Seiten-Kompendium „Das islamische Recht“ vor. Unter dem gleichen Titel ist jetzt ein viel kleineres Buch herausgekommen, das sich ausdrücklich an interessierte Laien ohne Vorkenntnisse richtet – und sie ausgezeichnet bedient. Wer will, kann hier auf knappem Raum alles Wesentliche über alle Gebiete islamischen Rechts erfahren, vom Ehe- und Familien- übers Straf- bis zum Staatsrecht. Außerdem sichtet der Verfasser die Entwicklungen islamischen Rechts seit dem 19. Jahrhundert und erst recht durch die Masseneinwanderung von Muslimen seit dem 20. Jahrhundert. Und macht einen klüger für die im Feuilleton wie auf Stehempfängen seit Jahren tobenden Debatten um „die Scharia“. Unterscheidet der Islam zwischen Göttlichem und Weltlichem? Ja, schreibt Rohe. Dies gehe so weit, dass selbst was aus religiöser Sicht klar verboten (haram) sei, rechtlich gültig werden könne: Kaufverträge etwa zur Hauptgebetszeit am Freitagmittag abzuschließen, sei Sünde – die Verträge aber wirksam. (Einige muslimische Gelehrte hielten den Islam sogar für zutiefst säkular. Die angebliche Einheit von Staat und Religion sei eine „neuzeitliche Islamistenparole“). Ist islamisches Recht reformierbar, da es doch von Gott kommen soll? In der Tat, meint Rohe. Das islamische Normensystem sei „geradezu das Gegenteil eines fest gefügten Gesetzbuchs“. Rohe verschweigt nicht den immer noch deutlichen Abstand zu europäischen Normen, etwa wenn es um die Rechte von Frauen oder das Verhältnis zu anderen Religionen geht. Und er sieht kritisch auf die britische Praxis, muslimischen Streitschlichtern auch Fälle von häuslicher Gewalt zu überlassen. Das Strafrecht lasse anders als das Bürgerliche Recht wenig Spielraum für Vielfalt. Wo es um gewisse Gewalttaten gehe, sei „der staatliche Schutzauftrag nicht delegationsfähig“. Andrea Dernbach

Joachim Scharloth: 1968. Eine Kommunikationsgeschichte. Wilhelm Fink Verlag, München 2011. 476 Seiten, 68 Euro.

Über 1968 ist, wie man an der jüngsten Debatte über die Grünen und Daniel Cohn-Bendit sieht, noch nicht alles gesagt. Dem wird auch Joachim Scharloth zustimmen, der in seiner Habilitationsschrift als Germanist und Linguist Verlauf und Folgen der Studentenbewegung diesmal nicht als politische, sondern als Kommunikationsgeschichte beschreibt. Was er damit meint, bringt er auf den letzten Seiten seiner umfang- und detailreichen Studie auf den wissenschaftlichen Begriff: Die Geschichte der 68er- Bewegung sei über das Scheitern ihrer politischen Ziele hinaus eine „Geschichte von der Entstehung eines neuen Verhaltensstandards als nicht-intendierte Folge des Experimentierens mit alternativen Formen des Zusammenlebens in einem Teil der 68er-Bewegung“. Will heißen: Obwohl sie als politische Bewegung begonnen habe, habe sie – anfangs unbeabsichtigt – zu einer für den Lebensstil und das Alltagsverhalten der Menschen folgenreichen Veränderung der gesellschaftlichen Kommunikationsformen geführt. Davon sprechen heute die seit 1968 veränderten Umgangsformen, Sprechweisen, Kleidermoden, sexuellen Sitten, aber auch die Unterhaltungsmusik. Angelegt war diese Veränderung in den beiden auseinanderstrebenden Richtungen der Protestbewegung, dem politischen Avantgardismus der radikalen Linken und ihrer subkulturellen Unterströmung, der „Subversiven Aktion“, die den antiautoritären Flügel des SDS und die Entstehung der Kommunenbewegung inspirierte. Hier entstanden die Verweigerungs- und Selbstverwirklichungsstrategien, mit denen die Kommune 1 und ihre Nachfolger die bürgerliche Ordnung und ihre Verkehrsformen schockierten und einen „Lebensstilprotest mit langfristiger Breitenwirkung“ (Scharloth) auslösten, der sich schließlich als Alternativmilieu verfestigte und sogar mit der Entstehung der Grün-Alternativen in die Politik zurückkehrte. Wenn Joschka Fischer sich als Minister in Turnschuhen vereidigen ließ, war das nur der symbolische Ausdruck dafür, dass die neuen Verkehrsformen im politischen Leben der Gesellschaft angekommen waren, die zu verändern die Antiautoritären von 1968 angetreten waren. Heute ist fast schon ein Outcast, wer keine Turnschuhe trägt. Joachim Scharioth schreibt diese Geschichte, ohne sie für die einzig mögliche Sichtweise auf 1968 zu halten. Doch solange es solche neuen Zugänge gebe, so lange sei, schließt Scharloth sein Buch, „über ,1968’ noch nicht alles gesagt“. Hannes Schwenger

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