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Kultur: Lesung im Kaffee Burger: Crash-Test - Mit Peter Wawerzinek und Nora Buschmann

Mitte, ganz am Rand: Nostalgisch verklärende Tapeten schimmern, dezent beleuchtet, in goldigem Ocker. Bevor Peter Wawerzinek und Nora Buschmann die teppichbedeckte Bühne im Kaffee Burger betreten, hat das Effektivkollektiv Silberstein / Wawerzinek eine "Einfache Knoblauchsuppe" kredenzt.

Mitte, ganz am Rand: Nostalgisch verklärende Tapeten schimmern, dezent beleuchtet, in goldigem Ocker. Bevor Peter Wawerzinek und Nora Buschmann die teppichbedeckte Bühne im Kaffee Burger betreten, hat das Effektivkollektiv Silberstein / Wawerzinek eine "Einfache Knoblauchsuppe" kredenzt. Um halb elf werden die Türen geschlossen, zieht man den Vorhang vor - wie fast jeden Montag, denn das Lese- und Kochkollektiv ist an diesem Tag Stammgast. Unter dem rotierenden Farbenkreis einer Discokugel bringt Kultautor Wawerzinek heute Verse des vor zehn Jahren verstorbenen Matthias Baader Holst zu Gehör. Reitet rücklings auf einem Stuhl. Intoniert einfühlsamen Singsang. Klingt wie Blixa Bargeld. Zerhackstückt ratternd Wortkaskaden. Baader Holst starb vor zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall. Er wurde 28 Jahre alt. Zuvor dichtete er noch: "Wer zu lang lebt, verliert sich schnell." So schreibt einer, der am Leben abrutscht wie an einer Fensterscheibe. Einer, der sich empört, aber immer wieder inne hält, leiser wird, vor der letzten Konsequenz zurück schreckt, "in blonder Verneinung den Abgrund umlauschend". Atemlos folgt Wawerzinek Baader Holsts Tasten nach einem sprachlichen Kleid für den ihm verloren gegangenen Sinn, brüllt trotzig: "Ich trete die Deportation nicht an." Zwischendrin und nebenher spielt Nora Buschmann inbrünstig Gitarre. Wie züngelnde Küsse streicht ihr Daumen beim Anschlag die Saiten, während sie mit der Linken den unvollendeten Lebenstext nacherzählt. Zum Schluss improvisiert Wawerzinek zum Klavier. Alltagsfragmente, tönernde Bekenntnisse. Kein Applaus. Ein Montagabend eben.

Jan-Arne Sohns

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