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Kultur: Letzte Ziehung

Ein

von Christian Schröder

Sie waren lange unter uns, eigentlich waren sie immer schon da, jedenfalls solange wir uns erinnern können. Sie fielen nicht weiter auf, sie hingen an Hauswänden oder Kiosken, manchmal stießen wir im Restaurant auf dem Weg zur Toilette gegen sie. Wahrscheinlich werden wir sie vermissen.

Noch gibt es rund 600 000 Zigarettenautomaten in Deutschland, vor vier Jahren es sogar 830 000. Doch bis Anfang des nächsten Jahres sollen weitere 100 000 Geräte abmontiert werden, der „Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller“ reagiert damit auf neue Jugendschutzbestimmungen. Wer jünger als 16 Jahre ist, darf ab 2007 keine Tabakwaren mehr kaufen. Raucher müssen sich dann an den Automaten ausweisen, etwa mit einer EC-Karte, auf deren Mikrochip ihr Alter gespeichert ist. Die Tabakindustrie, von einer Absatzkrise gebeutelt, versucht, die Umrüstung als High-TechInvestition zu verkaufen. In Wirklichkeit dürfte es den Zigarettenautomaten so ergehen wie vor ihnen den Telefonhäuschen: Sie werden aus dem öffentlichen Raum verschwinden und ihre letzte Ruhestätte im Museum der vom Fortschritt ausgemusterten Gebrauchsgegenstände finden.

Klackernd verschwanden die Münzen im Bauch des blechernen Apparates, man drückte eine Taste, kurz rumpelte es noch einmal, sanft fiel dann die Schachtel in den Ausgabeschlitz. Wer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgewachsen ist, hat diese Melodie noch im Ohr, ein sekundenkurzes Seufzen und Singen, das wohl bald endgültig verstummen wird. Die Namen der Zigarettenmarken klangen pompös, sie erinnerten an vergessene Städte, frühneuzeitliche Helden und antike Architekturen: Reval, Roth-Händle, Atika, Peter Stuyvesant, Kim, Ernte 23, Krone, Lord Extra. Männer sagten damals, sie würden Zigaretten holen gehen, und verließen ihre Familien. Es waren wilde und aufregende Zeiten, von denen wir unseren Enkeln erzählen können.

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