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Kultur: Leuchtturmgeschichten: Die Kathedralen der Meere

Deutschlands letzter Leuchtturmwärter ist schon lange in Pension. Auch anderswo in der Welt ist das so.

Deutschlands letzter Leuchtturmwärter ist schon lange in Pension. Auch anderswo in der Welt ist das so. Zwar werden manche Seezeichen noch Computer gesteuert, die meisten aber sind schlicht überflüssig geworden. Nur als Denkmale einer vergangenen Epoche taugen sie noch und haben doch nichts von ihrer magischen Anziehungskraft verloren. Wie Leuchttürme die Fantasie von Schriftstellern beflügelt haben, kann man jetzt nachlesen. Ronald Glomb hat "die schönsten Leuchtturmgeschichten aus aller Welt" zusammengetragen. Ein paar romantische über die "Kathedralen der Meere" sind schon dabei, die meisten aber sind wunderbar gruselig.

"In der Regel ist ein Leuchtturmwärter ein nicht mehr ganz junger, melancholischer Mann", schreibt Henryk Sienkiewicz und erfindet einen Protagonisten, der sich nach bewegtem Leben nach einem Ort der Ruhe sehnt. Zunächst genießt er seinen neuen Job als einsamer Leuchtturmwärter und "ging ganz auf in seinem Glück". Nach und nach aber verschwimmt die Wirklichkeit, der alte Mann versinkt in Träumen und Grübeleien. Das nimmt kein gutes Ende. Auch Robert Blochs Geschichte erzählt von einem, der die Einsamkeit in einem Leuchtturm im Meer zunächst als "Köstlichkeit" empfindet. "Ich regiere mein luftiges Königreich als absoluter Monarch", schwärmt er und preist das Alleinsein, bis er - nach einer Woche schon - fürchtet, den Verstand zu verlieren. Den Moment, als ihn die Wogen in die Tiefe reißen, begreift er als Erlösung. Wie sich die menschliche Psyche in einem Ort vollständiger Abgeschiedenheit mit der Zeit ändern kann, hat viele Schriftsteller interessiert. Gladys Mitchell hat gleich einen Krimi daraus gemacht. Fantastisch wird es bei Ray Bradbury, dessen spannende Story "Das Nebelhorn" zu den besten in dieser Anthologie gehört. Da beobachtet ein Leuchtturmwärter, wie sich des Nachts dunkle Gestalten an einem Wrack zu schaffen machen. "Unter den Kappen war nur eine weiße, formlose Masse, ohne Augen, ohne Nase und ohne Mund, als ob ein Klumpen gefrorenes Mondlicht auf ihren Schultern säße." Atemberaubendes geschieht und macht den Leser schaudern.

Leuchtturm-Geschichten spielen selten im Sommer. Stattdessen werden Herbststürme und Novembernebel beschrieben, und immer wieder das unberechenbare, furchterregende Meer. Bei einem Autor ist es "schwer und schwarz wie Basalt", ein anderer philosophiert von der "Ewigkeit der Ebenholzschwärze". Für helle Sonnentage im Strandkorb taugen die Geschichten nicht. In der dunkleren Jahreszeit aber könnte man mit ihnen herrlich ins Träumen kommen. Und danach zum Leuchtturm spazieren.

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