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Kultur: Licht in der Besenkammer

Meine Erleuchtung ist eine im ganz wörtlichen Sinne, nämlich James Turrells große Lichtkunst. Vor einigen Jahren betrat ich im Münchner Haus der Kunst in freudiger Erwartung einen kleinen Seitenraum.

Meine Erleuchtung ist eine im ganz wörtlichen Sinne, nämlich James Turrells große Lichtkunst. Vor einigen Jahren betrat ich im Münchner Haus der Kunst in freudiger Erwartung einen kleinen Seitenraum. Dort war es stockfinster, und ich hielt das Ganze für eine Besenkammer. Mehr Licht, dachte ich, und stolperte wieder hinaus, war aber neugierig geworden. In einem zweiten Anlauf bemerkte ich, dass da doch etwas sein musste und tastete mich zu einer kleinen Bank vor. Dort verweilend, dauerte es einige Zeit, bis sich meine Augen an die magische Szenerie gewöhnt hatten. Ein Lichtbündel, von dem ich hätte schwören können, dass es eben noch orange war, war unbemerkt grün geworden – und andere Dinge, die sich tatsächlich verändert hatten, blieben in meinen Augen konstant. Dieses virtuose Spiel mit der menschlichen Wahrnehmung, das auf jede schnöde ZauberkistenÄsthetik verzichtet: so einfach, so radikal! Dieses Erlebnis war einer der Hauptauslöser für die Komposition meines Lichtstudie-Zyklus für Orchester. Soeben hat er in seiner Gesamtfassung in Hamburg das Licht der Welt erblickt. Das Orchester leuchtete ohnegleichen – und ich dachte dankbar an meine frühe Turrell-Erleuchtung in der Rumpelkammer.

Jörg Widmann, 31, ist Komponist, Klarinettist und Hochschullehrer und wird ab Februar 2005 zum zweiten Mal zu Gast im Berliner Wissenschaftskolleg sein.

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