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Kultur: Lichtdom, Schattenfeld

Eine

von Bernhard Schulz

Empfindliche Gemüter beschlich bei der Eröffnungsparty des runderneuerten Berliner Olympiastadions (siehe Seite 9) die schlimme Ahnung, die braune (Un)Zeit kehre heimlich zurück: Scheinwerferkegel durchschnitten den Nachthimmel, als handele es sich um Albert Speers „Lichtdom“.

Ja, das Stadion und mit ihm das ganze ehemalige Reichssportfeld stehen unter Generalverdacht. Die meisterliche Inszenierung der Olympischen Spiele von 1936 hat die kollektive Erinnerung geprägt. Womöglich nicht für immer: Denn am Wochenende waren alle Besucher des Lobes voll über das „neue“ Olympiastadion; und den Geldgebern aus Bund und Land erscheint der Gedanke plausibel, nunmehr auch andere, periphere Bauteile des Reichssportfeldes zu restaurieren.

Abseits dieser Überlegungen – und abseits vom Olympiastadion – kümmert das „Deutsche Sportforum“ vor sich hin. Ein halbes Jahrhundert lang als Sitz der britischen Militärregierung der Öffentlichkeit entzogen, hat es seither keine angemessene Nutzung gefunden. Historisch ist der in Backstein gekleidete Gebäudekomplex das Bindeglied zur Weimarer Republik, unter der es in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre errichtet wurde – geplant und entworfen von den Brüdern Walter und vor allem Werner March, der anschließend mit der Planung des Olympiastadions begann. Gewiss, das Sportforum zählt aus heutiger Sicht nicht zu den Glanzleistungen einer Architektur, die unter dem Begriff „neues bauen“ für die Modernität der Weimarer Republik einsteht – und doch nur die damals heftig befehdete Avantgarde ausmachte. Die Mehrzahl der öffentlichen Bauten bis 1933 folgt vielmehr jener verhaltenen Monumentalität, die Werner March auch am Olympiastadion zur Geltung bringen wollte, hätte ihm Speer – auf Hitlers Weisung hin – nicht den als „wuchtig“ gelobten Naturstein aufgezwungen.

Noch befindet sich das Sportforum in leidlichem Zustand. Ursprünglich beherbergte es die „Deutsche Hochschule für Leibesübungen“, deren Nachfolgeeinrichtungen – ost-westlich geteilt – in Köln und Leipzig Unterkommen fanden. Und in Berlin? Jetzt, wo das Olympiastadion als gelungene Verbindung von Alt und Neu vor Augen steht, sind Visionen gefragt, die das weiträumige Ganze des Sportareals in den Blick nehmen – und ins Bewusstsein zurückrufen, dass das Olympiagelände durchaus nicht Hitlers Erfindung war, sondern von den Nazis propagandistisch missbraucht wurde. Nicht zuletzt mit betörendem Scheinwerferlicht.

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