zum Hauptinhalt

Kultur: Lichtleere

Drei Künstler zu Gast in der Galerie Wentrup.

Weiß und grau hängen die Bahnen hintereinander wie Kulissen an der Bühnenseite. In Miriam Böhms strenger Serie „Prospects“ begrenzen sie den Raum und eröffnen neue Zonen. Überscharf setzt sich die Fläche vom Hintergrund ab, und doch ist alles Illusion. Böhm, Jahrgang 1972, baut ihre Motive als Modelle, nimmt sie mit der Kamera auf und fotografiert dann noch einmal die so entstandenen Bilder. Die Leere des artifiziellen Raums wirkt einladend und doch wie eine Sackgasse (Auflage: 3, je 8500 Euro).

Für die klare, karge Ausstellung „Der andere Raum“ in der Galerie Wentrup scheint Autor Samuel Beckett Pate zu stehen. Becketts Schweigen, seine Pausen, seine Leerstellen und absurden Volten haben die Bildhauer beeinflusst, von Alberto Giacometti bis Bruce Nauman. Weiß in Grau wird das Nichts auch in der Kreuzberger Galerie zur Materie. Das Werk von Charlotte Posenenske entstand aus der Verweigerung, auch wenn es längst bekannt und verbreitet ist. Nicht Kunst, sondern Industrieprodukte sollten die Plastiken sein, keine Originale, sondern Vervielfältigungen. Mit der Lizenz zur Reproduktion wollte die Bildhauerin den Markt unterlaufen. In der Galerie stehen zwei Würfel, deren Seitenwände sich in den Raum öffnen (30 000 Euro). Die Drehflügel können vollkommen durchlässig sein oder zum Gefängnis werden. Posenenske arbeitete lange als Bühnenbildnerin, ehe sie sich ganz von der Kunst verabschiedete, weil sie nicht länger an ihre Wirkmacht glaubte.

Der Amerikaner James Turrell wird weniger von Zweifeln geplagt. Sein letzter Auftritt im Kunstmuseum Wolfsburg geriet vielmehr so pompös, dass der 70-Jährige sich selbst entzauberte. Umso angenehmer wirken jetzt die zurückhaltenden Radierungen „First Light Blonde“ von 1989/90. Darin bezieht sich Turrell auf die Grundformen seiner Lichtskulpturen seit den sechziger Jahren. In anspruchsvoller Aquatinta strukturiert er die Schatten einer Raumecke und platziert darin einen Körper aus Licht. Sie erinnern an die umwerfende Einfachheit von Turrells Idee. Selbst auf dem Papier eröffnet sich ein unantastbarer Raum. Plötzlich ist es wieder da, das Staunen über die geheimnisvolle Schwerelosigkeit, die Turrells besten Arbeiten innewohnt. Dezent geht hier die Strategie der Galerie auf, eine jüngere Künstlerin in die Tradition einzubetten. Der Dialog bringt auch den Besuchern Gewinn. Simone Reber

Galerie Wentrup, Tempelhofer Ufer 22; bis 19.4., Di–Sa 11–18 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false