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Kultur: Liebe auf den ersten Blick

Sonne, Palmen, Kunst: Die erste Art Basel Miami Beach wurde in Zeiten der Krise ein phänomenaler Erfolg

Auch die neue Messe hat ihr Maskottchen. Inszeniert sich in Basel, Köln und Berlin, also an den bekannten europäischen Marktplätzen der zeitgenössischen Kunst, regelmäßig das pudrig-rosig-herzige Paar Eva & Adele als „Living Sculptures“, so flanierten auf der ersten Art Basel Miami Beach (5. bis 8. Dezember) Herb & Kitty Katzenjammer als schrilles Sammler-Duo zwischen den Ständen der Messehalle des Convention Center. Er trug sie als Puppe mit kugelrund-staunenden Augen, grellrotem Schlauchmund und Leoparden-Jäckchen unter dem Arm. Sein Outfit aus Bürstenschnitt, schwarzem Hemd, schwarzer Hose und Brille karikierte die Uniform eines exemplarischen Insiders, der allen unaufgefordert erzählt, warum er Konzeptkunst kauft: „You know it’s hard to get.“

Überhaupt nicht schwer zu haben waren auf diesem ersten Ableger der etablierten Kunstmesse Art Basel erstklassige Werke der Kunst der Moderne bis zur jüngsten Gegenwart von 160 Top-Händlern aus Europa, den USA, Lateinamerika (eine argentinische, fünf brasilianische, sechs mexikanische Galerien) sowie Japan (3), Israel (1) Südafrika (1) und Südkorea (1). Nach den USA (85) kam die zweitstärkste Fraktion, noch vor den britischen Galerien (20), aus Deutschland mit 27 Teilnehmern.

Die Zahlen sind aufschlussreich im Hinblick auf die Strategie der Veranstalter und die Situation des europäischen, spezifisch auch des deutschen Kunstmarkts. Stärker als je zuvor sucht der europäische Kunsthandel die Nähe zum amerikanischen Markt, dessen Bedingungen ungleich günstiger sind als in Europa mit seinen fatalen administrativen und steuerlichen Blockaden. Das oberste Segment des Marktes wandert unübersehbar in die USA ab, dem Marktführer des globalen Kunsthandels. In Europa ist Großbritannien der wichtigste Kunsthandelsplatz, dem sich Deutschlands zeitgenössische Galerien und Künstler zuwenden müssen, falls sie sich nicht nach Amerika orientieren. Parallel kaufen die großen einheimischen Sammler immer stärker außerhalb der Heimat.

Miami ist das erste Ergebnis dieser Entwicklung, und der Erfolg bestätigt das Konzept und die Politik der Veranstalter. Trotz der hohen Kosten von rund 50 000 Dollar (inklusive Transport und Nebenkosten), die für jede Galerie entstanden oder an Gemeinschaftsständen zu zweit und dritt geteilt wurden, jubeln die Händler über die exzellenten Geschäfte. Nicht wenige von ihnen prophezeien bereits das nahe Ende der Art Chicago, manche glauben sogar nicht einmal mehr an die Zukunft der New Yorker Armory Show, die vom neuen Messe-Shootingstar in Florida verdrängt würde.

Ob sich die Galeristen des Big Apple ihre feine Messe rauben lassen, sei dahingestellt, klar ist jedenfalls, dass die Art Basel mit Miami eine geniale Standortwahl und mit dem Dezember einen idealen Zeitpunkt traf. Denn wer hierher anreist, als Sammler oder Kurator, Künstler oder Kritiker, der bleibt. Nimmt sich Zeit. Genießt Kunst, Sonne, Palmen, Strand, Meer und die überaus großzügige Gastfreundschaft der ortsansässigen Großsammler, die ihre Villen und Warehouses voller Kunst, bereitwillig öffneten. Die Rubells, Bramans, de la Cruz’, Shacks, Scholls und Moras, Craig Robins und Martin Z. Margulies, sie luden schon zum Frühstück in ihre Häuser, führten durch die Kollektionen und baten dann zum Dinner mit Ozeanblick. „Wir waren überall willkommen“, beschreibt die Wiener Galeristin Ursula Krinzinger die warmherzige Atmosphäre, in der sich Akteure und Besucher räkeln konnten wie in einem duftenden Bad.

Weit mehr als eine Messe, wurde die erste Art Basel Miami Beach zum gesellschaftlichen Event mit Showappeal. Jeden Abend gab es Parties, Cocktails und Snacks mit Latino Sound zum Durchtanzen, die Mynt Bar für den letzten Absacker und das Sagamore Hotel, das zur Einweihung einer Installation des New Yorker Bildhauers Roxy Paine in seine kunstgefüllten Hallen und an den Pool lud. Dazu lockte eine weitere Attraktion, für die manch Aussteller und Besucher Liebe auf den ersten Blick empfand: Die Basler Architekten Steinmann und Schmid hatten standardisierte Schiffscontainer für 20 Nachwuchsgalerien in South Beach direkt in den Sand gebaut und in filigrane Ausstellungsräume verwandelt.

Hier zu Preisen zwischen 600 Euro und 20 000 einzukaufen, gehörte einfach dazu. Entsprechend euphorisch waren die Händler: „Es lief so gut wie noch nie“, meinte die Berliner Galeristin Barbara Thumm, „super“ war auch der Absatz ihrer New Yorker Kollegen Andrew Kreps und Michele Maccarone. Ebenso lobten die Galeristen im Convention Center einhellig die „phantastische Stimmung“ und „über Erwartung guten Verkäufe“ wie die Berliner Galeristin Nicole Hackert von Contemporary Fine Arts, die unter anderem eine Arbeit der britischen Künstlerin Sarah Lucas an das New Yorker Museum of Modern Art verkaufte.

Hackert teilte den Stand mit der Berliner Galerie Haas & Fuchs, die sich schon am ersten Tag über den Verkauf eines Bildes von Sigmar Polke freute. Die Kölner Galeristin Gisela Capitain, die ihren Stand mit dem New Yorker Händler Friedrich Petzel teilte, sprach von „der besten Messe, an der ich je teilgenommen habe“. Die Kunsthändler profitierten von der Erwerbslust neuer, vor allem amerikanischer Sammler, die auf den anderen Messen bisher nicht aufgetaucht waren. Schon die Premiere beweist: Mit Miami hat die Art Basel das große Los gezogen.

Eva Karcher

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