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Kultur: Liebe ist Krieg

Kim Ki-duk über „Frühling, Sommer ...“, Sex, Buddhismus und seine Vergangenheit als Straßenmaler

Ihr neuer Film, aber auch „Die Insel“, mit dem Sie in Deutschland bekannt wurden, wirkt zuallererst durch seine unverwechselbare Bildgestaltung. Es heißt, Sie wollten Maler werden und haben mit 30 in Paris Kunst studiert.

Ich wollte malen, ja – aber dass ich Kunst studiert habe, ist ein verbreiteter Irrtum. Ich bin nach Europa gekommen, weil man in Korea nichts werden kann, wenn man nicht studiert hat, ob in der Wirtschaft oder in der Kunst. Also habe ich alles Geld zusammengekratzt und bin nach Paris geflogen.

Und wurde Ihr Traum dort Wirklichkeit?

Erst hatte ich Angst vor der riesigen Metropole und wäre am liebsten zurück. Aber dafür hatte ich kein Geld mehr. Ich habe dann nach ein paar Monaten Bilder von Urlaubern gezeichnet, gegen Geld, an der Küste vor Montpellier. Viele Westeuropäer machen dort Ferien, und ich habe aus ihren Gesichtern viel über ihre Kulturen gelernt. Meine Freunde aber waren Outsider wie ich: Araber, Tschechen, Ungarn. Die habe ich dann richtig gemalt, Porträts von Menschen in ihrer gesellschaftlichen Bedrängnis. Später habe ich in München und Frankfurt diese Bilder ausgestellt, in Parks. Und dort verkauft.

Sie lieben das Unterwegssein. Unlängst auf der Berlinale haben Sie sich – in der Antwort auf einen Fragebogen – einen freien Festivaltag so vorgestellt: fünf Stunden rausgehen aus der Stadt, ohne Stadtplan.

Dazu hatte ich dann leider keine Zeit. Dabei hätte ich diesen Selbsttest gerne gemacht: nicht zu wissen, was auf mich zukommt. Von Schönheit überrascht sein. Vielleicht nicht einmal zurückfinden. Stadtpläne und Landkarten machen uns Orte bloß trügerisch bekannt.

Das Leben unter freiem Himmel spielt überhaupt eine wichtige Rolle in Ihren Filmen.

In der Natur findet sich der Mensch. In der Natur lernt er sich zu verstehen. Zum Beispiel im Gebirge: Immer führen Pfade auf einen Gipfel. Ich ignoriere diese Wege.

Auch die Holzhäuschen, die in „Frühling, Sommer ...“ und „Die Insel“ auf dem See schwimmen, sind sehr anders als andere Häuser.

Wasser bewegt sich, die Erde nicht. Wasser ist das Element des Unvorhersehbaren, das stärkste Symbol für Natur. Die Häuser, die ich auf dem Wasser erschaffen habe, sollten frei sein, offen in alle Richtungen. Weil sie sich über Nacht völlig drehen können, sehen ihre Bewohner die Welt jeden Tag neu.

In Ihren Filmen sind die Menschen wortkarg. Ist das Schweigen unsere eigentliche Natur?

Meine Protagonisten sprechen nicht, weil ich Worten keinen Glauben schenke. Die Körpersprache ist die einzige ehrliche Sprache. Das heißt nicht, dass ich Körpersprache in brutaler, gewalttätiger Form gutheiße. Aber viele Menschen können heute ihre Gefühle nur noch über die Sprache des Körpers vermitteln.

In Ihren Filmen geschieht das oft mit Gewalt, zwischen Männern und Frauen. Ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ein Krieg?

Ja. Sex ist Kampf. Und Liebe ist Krieg. Auch ein Orgasmus ist Teil dieses Krieges. Aber kein schlechter Krieg. Frauen brauchen die Energie der Männer und umgekehrt. Diese divergierenden Energiewelten stoßen aufeinander, und dadurch wird die Gesellschaft vorangetrieben.

In mehreren Ihrer Filme, zuletzt in „Samaria“, verkaufen Frauen ihren Körper. Sie erdulden die Roheit der Männer und tun sich oft noch zusätzlich Gewalt an. Warum?

Manchmal kann man Dinge nicht sagen. Und sich niemandem anvertrauen. Dann neigen Menschen dazu, sich schlimme Dinge anzutun. Doch auch durch diesen Schmerz entsteht eine einzigartige Energie. Ich schlage mich manchmal selber (gibt sich eine Ohrfeige). Diese pure, saubere, körperliche Gewalt ermöglicht mir Selbstkontrolle.

Auch im japanischen Kino gibt es die formale Strenge, das Lakonische, die unvermutete Gewalt. Etwa in den Filmen Takeshi Kitanos.

Kitanos Filme gefallen mir nicht besonders. Wenn das japanische Kino überhaupt einen Einfluss auf mich hat, dann Kurosawa. Oder auch die Filme von Shohei Imamura. Das sind Regisseure, deren Bildkompositionen mich inspirieren.

„Frühling, Sommer ...“, der überwiegend in einer buddhistischen Einsiedelei auf dem Wasser spielt, ist Ihr bislang friedlichster Film. Betrachten Sie sich als Buddhist?

Der Buddhismus in meinem Film ist eher kulturell als religiös, so wie auch der Buddhismus unsere Kultur seit Jahrtausenden prägt. In „Samaria“ wiederum spiele ich – denken Sie an das Verhältnis zwischen Vater und Tochter – mit christlichen Motiven. Aber meine Beziehung zum Christentum ist ebenso vorsichtig wie die zu Ideologien allgemein. Ideologien machen die Menschheit schwächer.

Stichwort Hollywood: Sie haben ein Remake Ihres Films „Bad Guy“ angeregt, der 2002 auf der Berlinale lief. Würden Sie, wie andere asiatische Regisseure, in Amerika drehen?

Das Remake von „Bad Guy“ würde ich niemand anderem überlassen. Nur: Schon nackte Brüste sind ein Problem im Hollywood-Kino. Dort ist es zwar egal, wie viele Leute man abschlachtet, aber Nacktheit ist verboten. Das Hollywood-Kino macht es sich überhaupt oft zu einfach. Zum Beispiel die Trennung in Held oder Bösewicht, dieses ewige Gut und Böse. Als ginge es im Leben nur darum. So kriegt man die Köpfe der Menschen klein.

Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.

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