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Kultur: Lieber Max

Adorno und Horkheimer: ihr Briefwechsel 1945 – 49

„Also, es ist da, das Buch“, schreibt Theodor Adorno im Mai 1948 an Max Horkheimer, „unser erstes legitimes Kind, und ich bin unendlich froh damit.“ Es folgt ein weiterer Satz, und dann ist das Erscheinen der „Dialektik der Aufklärung“ auch schon abgehandelt, immerhin eines der einflussreichsten philosophischen Bücher des 20. Jahrhunderts.

Man erfährt wenig aus der Korrespondenz, die die Frankfurter Dioskuren Adorno und Horkheimer in den Jahren 1945 bis 1949 geführt haben, so intensiv sie in Briefen und Telegrammen auch war. Als dritter Band der vorbildlichen Briefedition von Christoph Gödde und Henri Lonitz liegt sie nun vor – und enttäuscht gegenüber den beiden vorangehenden Bänden. Dieser Band III muss enttäuschen, weil die beiden Denker überwiegend Organisatorisches austauschen.

„Lieber Max, heute nur ein kleines Projekt“, beginnt gleich der allererste Brief des Bandes vom 5. Januar 1945, und bald darauf muss der geradezu hyperaktive Adorno betonen: „Sie können mir glauben, dass ich nicht in den Wahnsinn des Projektmachers verfallen bin, sondern dabei ausschließlich an unsere gemeinsamen Interessen denke.“ Nur laufen diese „Interessen“ allenfalls als Subtext mit, während die haarkleine Erörterung persönlicher Beziehungen zu Universitätsmitgliedern, möglichen Unterstützern und lauernden Feinden den Leser alsbald ermüdet. Dazu trägt bei, dass sich das Übergewicht der Korrespondenz auf Adorno verlagert, während Horkheimer, der mehr und mehr die Rückkehr des von ihm in bewundernswerter Übersicht durch alle Fährnisse des Exils gesteuerten „Instituts für Sozialforschung“ nach Deutschland betreibt, mehr als einmal die Überfülle seiner Tätigkeiten vorbringen muss, um die Kürze seiner Antworten zu rechtfertigen. „Es gibt so viel zu erzählen, dass ich jetzt einfach nichts sagen kann“, schreibt Horkheimer von seiner ersten Rückkehr nach Europa 1948.

So kamen sie schließlich unter Mühen nach Frankfurt zurück, Horkheimer als Ordinarius, Adorno als seine Vertretung, was „Teddie“ als Ausriss des entsprechenden Rektorats-Rundschreibens von Ende 1949 ausdrücklich festhält. Es begann die Geschichte der zweiten und nachhaltigeren Wirkung der Frankfurter Schule. „Weitaus das erfreulichste sind die Studenten“, berichtet Adorno am 6. Dezember 1949: „Vom Niveau des Kantseminars machen Sie sich keine Vorstellung. Diese Dinge zusammen zu tun, wird eine wirkliche Glücksquelle sein.“ Die Glücksquelle für den Leser der Briefedition indessen wäre eher die Lektüre der philosophischen Schriften, die im reichen Ertrag der kalifornischen Exilzeit nach und nach in Deutschland veröffentlicht wurden. Unter den endlosen Querelen um die empirischen „Projekte“ sind sie indessen im Briefwechsel fast ganz begraben – und sollten doch das intellektuelle Klima der angeblich so geistlosen Adenauer-Zeit nachhaltiger verändern, als ihre Vertreter es je zu hoffen gewagt hätten.

Theodor W. Adorno, Max Horkheimer: Briefwechsel 1945–1949. Hrsg. v. Christoph Gödde und Henri Lonitz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., 2005. 590 Seiten, 38 €.

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