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Kultur: Liebste Freundin

Noah Baumbachs Gefühlsstudie „Frances Ha“.

Eine Frau und ein Mann besuchen eine Party. Bald verliert sich das Paar im Getümmel aus den Augen. Sie plaudert mit Freunden, er ist ebenfalls in eine Unterhaltung vertieft. Irgendwann schauen beide auf, und ihre Blicke treffen sich. So sieht das große Beziehungsglück aus – in Frances’ Wunschfantasie.

Diese Szene, die die von Greta Gerwig gespielte 27-jährige Tänzerin mit den blonden Wuschelhaaren relativ fremden Menschen bei einem Dinner erzählt, zeigt, dass sie beides will: Nähe und Distanz, Vertrautheit und Freiheit. In den ersten Minuten von Noah Baumbachs „Frances Ha“ hat sie all das bereits, allerdings nicht mit einem Mann, sondern mit ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Sophie (Mickey Sumner). In der Eröffnungssequenz albern die beiden in einem New Yorker Park herum. Später sitzen sie nebeneinander im Bett und erzählen sich „die Geschichte von uns“, ein Kindertraum von Erfolg und Ruhm.

Wenn Sophie anruft, ist sogar Frances’ Geliebter unwichtig. Zu Sophie sagt sie in drei Minuten drei Mal „Ich liebe dich“, zu ihm gar nicht. „Wir sind wie ein lesbisches Paar, das keinen Sex mehr hat“, lautet Frances’ exakte Analyse. Kein Wunder also, dass sie die Balance verliert, als Sophie aus dem gemeinsamen Apartment in Brooklyn auszieht und eine ernsthafte Beziehung mit einem erfolgreichen Mann beginnt. Frances kann sich die Miete nicht mehr leisten und beginnt zu driften. Nichts will so recht hinhauen, weder mit den Wohnungen noch mit den Männern noch in ihrem Job, wo sie ewig in der zweiten Reihe tanzt.

Noah Baumbach hat das Drehbuch zu dem Schwarz-Weiß-Film gemeinsam mit der 29-jährigen Greta Gerwig geschrieben, die selbst zu der darin porträtierten Generation der weißen, urbanen Mittelschichtkinder gehört. Sogar ihre echten Eltern spielen die Film-Eltern, und ihre Heimatstadt Sacramento wird für Frances in den Weihnachtsfeiertagen zur wohlig-warm erleuchteten Oase der Geborgenheit. Stimmig zeigen Baumbach und Gerwig, die schon bei Baumbachs „Greenberg“ zusammengearbeitet haben, wie immens der Druck zum Hip- und Erfolgreichsein ist – noch dazu in einer Metropole wie New York.

Frances versucht, dabei Schritt zu halten, verstolpert sich aber fürchterlich. Zunächst hat es noch einen hübschen WoodyAllen-Touch, wenn sie beim Date unbedingt die Restaurantrechnung übernehmen will, ihre Kreditkarte aber nicht funktioniert, woraufhin sie von Geldautomat zu Geldautomat rennt. Bald aber kommt Frances in deutlich schmerzhaftere und peinsamere Situationen, doch in wirklich abgründige Gefilde wagen sich Baumbach und Gerwig nicht vor. Darin erinnert „Frances Ha“ an Lena Dunhams Brooklyn-Serie „Girls“: Hier wie dort werden Außenseiterinnen gefeiert – und sie bleiben immer noch attraktiv und dynamisch genug, um sich in New York durchzuschlagen. Wobei die „Girls“ allerdings deutlich mehr Sex haben. Nadine Lange

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