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Kultur: Listiger Vagabund

Beflügelnd: der Liederabend von Stephan Rügamer im Apollosaal

Man sollte meinen, Liederabende hätten gegenüber Opernvorstellungen mindestens zwei Vorteile: Erstens braucht der Sänger nicht zu spielen und kann sich so besser auf die Stimme konzentrieren, zweitens ist er endlich einmal ganz allein der Star auf der Bühne. Bei Stephan Rügamers Liederabend im Apollosaal der Staatsoper Unter den Linden wurden allerdings genau diese Publikumserwartungen gekonnt unterlaufen. Denn der lyrische Tenor singt nicht nur seine Lieder, er verkörpert sie auch: Im schwarzen Gehrock gestaltet er Beethovens Liederkreis „An die ferne Geliebte“ als kleine Zeitreise. Und wie er so inniglich und süß von der „Liebesgewalt“ singt und dabei verklärten Blickes am Flügel lehnt, könnte man für einen wunderbaren Moment meinen, er zücke im nächsten Moment seinen Revolver, um sich werthergleich ein Ende zu machen.

Mit gleicher Präzision trifft Rügamer in Ralph Vaughan Williams „Songs of Travel“ den Gestus des reisenden Vagabunden, so dass sich scheinbar gleich hinter dem Klavierbegleiter Rupert Dussmann die blauen, weiten Berge und ein leuchtender Himmel auftun. Dann zeigt Rügamer, dass ein Liederabend nicht dem Sänger allein gehören muss. Bei Webers „Schottischen und walisischen Volksliedern“ nehmen Klavier (Julien Salemkour), Flöte (Claudia Stein), Geige (Lothar Strauß) und Cello (Nikolaus Hanjohr-Popa) den Tenor in die Mitte. Und da sich Rügamers feine Töne leicht in den Gesamtklang einspinnen, vermittelt sich ein überraschendes Hörerlebnis, das die Grenzen zwischen Lied und instrumentaler Kammermusik auflöst. Mit dem letzten Lied der Auswahl aus Joseph Haydns „Schottischen und walisischen Volksliedern“, „Mein süßes Liebchen“, zieht Rügamer noch einmal die darstellerischen Register des ersten Teils: Das Lachen über die Darstellung des ausgesperrten Liebhabers beflügelt den anschließenden Applaus. Joscha Schaback

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