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Kultur: Litanei im Lotossitz

Indischer Pop aus London: Cornershop im Berliner KesselhausVON MICHAEL PILZAn Londoner Straßenecken führen asiatische Händler ihre Gemischtwarenläden: Ihre bunten, duftigen Corner Shops bieten lebensgroße Poster indischer Kinostars feil, Gewürze und gemusterte Tücher, kleine Trommeln und sperrige Saiteninstrumente.Auch Cornershop, die Band, hat eine Sitar auf der Bühne und eine Tambura als Baß.

Indischer Pop aus London: Cornershop im Berliner KesselhausVON MICHAEL PILZAn Londoner Straßenecken führen asiatische Händler ihre Gemischtwarenläden: Ihre bunten, duftigen Corner Shops bieten lebensgroße Poster indischer Kinostars feil, Gewürze und gemusterte Tücher, kleine Trommeln und sperrige Saiteninstrumente.Auch Cornershop, die Band, hat eine Sitar auf der Bühne und eine Tambura als Baß.Sie haben ein Triptychon aus Leinwänden errichtet.Projektoren strahlen psychedelische Kringel und indische Ornamente über ihre Köpfe.Tänzerinnen sind darauf zu sehen mit Punkten auf der Stirn und Perlen um den Bauch.Darunter kündet Tjinder Singh von der Wiedergeburt "to asian life".Singh ist einer jener Briten mit indischen Vorfahren, und er singt auch über Tony Blair und übersetzt "Norwegian Wood" von den Beatles in die Sprache seiner Großeltern.Cornershop handelt multikulturell und multimedial mit Samples: mit Sprache, mit Musik und mit irritierenden Bildern.Oszillogramme schieben sich über den Bauchtanz.Heftige Beats zwingen den Ragas ihren Takt auf.Bis alle Brüche undeutlich werden in diesen Songs, die längst keine mehr sind. Es ist ein anderes Konzert dieser Band als im letzten Herbst vor den Tindersticks im SFB-Sendesaal, wo die Besucher zum Zirpen der Sitar tief ins Gestühl sanken.Hier im Kesselhaus vibriert der Beton, hier riecht es nach Kraut.Singh schlägt beiläufig über die Saiten seiner Gitarre.Hinter ihm kauern sie im Lotossitz, spielen Tambura und drehen an analog heulenden Klangkästen.Zwei Schlagwerker sind kontemplativ mit den Rhythmen befaßt.Was zuletzt im Sendesaal in gediegener Redundanz verging, gewinnt an diesem Abend seine hypnotische Wucht im melodienseligen Fluß und in der Litanei der Kehrreime."Whatever is gonna be is gonna be", singt Tjinder Singh, trommelt zum TripHop auf der Dhola und läßt alles zu: Raga und Punjabi, Kunst und Kitsch, Klubmusik und Gitarrenpop.Seit dem britischen Rave der frühen Neunziger zieht es auch die Kinder der indischen Einwanderer mit Macht auf den Popmarkt.Ihre Bühnen sind mit den Insignien ihrer Herkunft gefüllt.Wie die Auslagen beim Inder an der Ecke.

MICHAEL PILZ

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