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Literatur: Armer Beduine Gaddafi

Ein Blick in die Schriften des Muammar al Gaddafi: Vom internationalen Literaturbetrieb eher unbeachtet, ist der libysche Diktator auch als durchaus ehrgeiziger Autor hervorgetreten.

„Die Tyrannei eines Einzelnen ist die schändlichste aller Tyranneien.“ So steht es in der Kurzgeschichte „Die Flucht in die Hölle“, geschrieben vom libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi. Der Mann, der derzeit Krieg gegen sein Volk führt, hat neben seiner politischen Bibel, dem „Grünen Buch“, Essays und zwölf Kurzgeschichten unter dem Titel „Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten“ verfasst. In Deutschland sind sie in Kleinstauflagen im Münchner Belleville-Verlag erschienen. Verleger Michael Farin attestiert ihnen literarisch geringe Qualität, wohl aber lieferten sie „eine Innensicht“.

In der Tagesspiegel-Rezension zum „Dorf“-Buch hieß es 2004 über die Vorliebe des Despoten für ein Leben in der Wüste: Die Stadt sei für Gaddaffi „Entwurzelung, abscheulicher Konsum, nutzlose Suche und sinnlose Existenz (...) ein Brechreiz, Schwindel, Finsternis, sinnloser Zeitvertreib und Vergeudung“. Dagegen herrschen auf dem Land „Ermutigung und Lob für den Freiheitsdrang und das Streben zum Licht“. Die Texte zeigen das Bild eines Herrschers, der sich von seinem Volk verkannt fühlt: „Ich liebe die Massen wie meinen Vater, und ich fürchte sie, wie ich ihn fürchte.“ Die folgende Wehklage liest sich so: „Was suche ich also, ich, der herumschweifende, arme Beduine, in einer modernen verrückten Stadt, deren Bewohner, immer wenn sie mich finden, nach mir schnappen. Diese Massen, die nicht einmal barmherzig zu ihren Errettern sind, ich glaube, sie verfolgen mich, verbrennen mich.“ Und er folgert prophetisch: „Die schändlichen Manieren der Ohnmächtigen können sich in eine überschäumende Revolution gegen die Quelle der Ohnmacht verwandeln.“ Aber seine Antwort darauf steht fest: „Die richtige Haltung ist die Konfrontation. Flucht, und sei es ins Ausland, rettet nicht vor dem Tod.“

Sonst bieten die Texte des Diktators vor allem Hetze: gegen die USA und Israel, gegen Fußballfans, Kindertagesstätten oder die Schulpflicht. Sie sei „eine den Massen aufgezwungene Verdummung“. dpa/Tsp

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