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Der nigerianische Autor E. C. Osondu veröffentlicht seinen Debütroman „Dieses Haus ist nicht zu verkaufen“.

© Victor Ekpuk / Wunderhorn Verlag

Literatur aus Nigeria: Fluch der Nachbarn

Der preisgekrönte Erzähler E. C. Osondu lauscht in seinem Debütroman dem alltäglichen Rumoren in seiner Heimat Nigeria.

Ein Haus am Rande einer afrikanischen Großstadt. Draußen stehen die Straßenverkäufer und konkurrieren mit dem Lärm der Fahrzeuge. Sie bieten Schulhefte und Macheten an. Plötzlich jagt eine Gruppe von Kindern eine Frau aus der Tür. Die Haare sind geschoren, um den Hals trägt sie eine Kette aus Schneckenhäusern. Vor dem Café sitzen die Männer und palavern. Von einem „Diebstahl“ ist die Rede, sie dagegen behauptet, der Teufel sei im Spiel.

Nichts von dem, was E.C. Osondu in seinem Debütroman „Dieses Haus ist nicht zu verkaufen“ (This house is not for sale) den namenlosen Ich-Erzähler berichten lässt, geschieht ohne die argwöhnischen Nachbarn. Ihre Sätze beginnen mit „Angeblich hat…“ oder „Es heißt...“. In klarer, dezidiert schlichter Sprache erzählt der in den USA lebende Nigerianer von den Hausbewohnern, ein wenig wie in den fantastischen Geschichten von Kindern, deren Erzählungen sich ganz von der Ausstattung ihrer Puppenhäuser lösen. Vorgetragen in ständiger Begleitung eines nachbarschaftlichen Chors, der Kommentare und Mutmaßungen zum Besten gibt, erlebt der Leser in 17 Episoden die Genese des Erzählens selbst.

Das Grundrauschen der Leute

Da ist der Junge Ibe, der den Erzähler dazu verleitet, Opfergaben aus heidnischen Tempeln zu klauen, denn „es sei in Ordnung, von Götzenbildern zu stehlen, da es nur einen Gott gebe.“ Da ist die kinderlose Tata, die von einer Flussgöttin magische Fähigkeiten erhält und zur Wunderheilerin aufsteigt. Da sind notorische Pechvögel, eifersüchtige Ehemänner und unehrliche Geldverbrenner. Und da ist der Großvater, der das Haus als Patriarch regiert und gegen Kredit die Kinder armer Familien aufnimmt – hin und wieder aber auch Geächtete, Wahnsinnige und Verbrecher für sich arbeiten lässt. Viele Gerüchte kursieren über ihn. Etwa dass er sein eigenes Leben mit dem anderer verlängere oder dass er die Bewohner des Hauses alle verhext habe.

Ähnlich wie im griechischen Drama der Chor die Meinung der Masse wiedergibt, verwendet Osondu, der 2009 den wichtigsten Preis für englischsprachige afrikanische Literatur, den Caine-Preis erhielt, die Stimmen der Nachbarn. Doch bei ihm äußert sich im Grundrauschen „der Leute“ ein unerschütterlicher Aberglaube und eine ausgeprägte Skepsis gegenüber jeglichem Pragmatismus.

Alltägliche Absurditäten

Osondu zeigt den Alltag der zerrütteten nigerianischen Gesellschaft, die sozialer Ungerechtigkeit nichts als religiöse Heilsversprechen entgegenzusetzen hat. Einmal wird ein Hausbewohner aus politischem Kalkül kaltgestellt. Die Leute auf der Straße sprechen lieber von einem Fluch. Humorvoll berichtet der Autor auch vom täglichen Staatsversagen, etwa wenn die Milde eines Urteils damit gerechtfertigt wird, der Geschädigte sei „ohnehin nicht sehr beliebt gewesen“. Leider lässt sich der Autor viel zu selten auf solch absurde Phänomene ein. Der Originaltitel des Romans, „This house is not for sale“, übrigens spielt auf Immobilienbetrüger an: Hausbesitzer in Lagos markieren damit ihr Eigentum, um zu verhindern, dass es zum Schein feilgeboten wird.

Frederic Jage-Bowler

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