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Literatur BETRIEB: Auf den Geschmack gekommen

Die Freude war gerade unter uns gesundheitsbewussten Literaturredakteuren groß, als vor zwei Jahren aus einem schweren, eher unhandlichen Buchpaket eine Reihe von Äpfeln purzelte. Der Kiepenheuer & Witsch Verlag hatte sich was Besonderes einfallen lassen und dem Rezensionsexemplar von Katharina Hagenas Roman „Der Geschmack von Apfelkernen“ eine Kiste Äpfel mitgegeben.

Die Freude war gerade unter uns gesundheitsbewussten Literaturredakteuren groß, als vor zwei Jahren aus einem schweren, eher unhandlichen Buchpaket eine Reihe von Äpfeln purzelte. Der Kiepenheuer & Witsch Verlag hatte sich was Besonderes einfallen lassen und dem Rezensionsexemplar von Katharina Hagenas Roman „Der Geschmack von Apfelkernen“ eine Kiste Äpfel mitgegeben. Tatsächlich gibt es in dem Roman eine Stelle, in der eine Figur auf einem Apfelkern herumbeißt. Ansonsten hat dieser Titel vor allem metaphorischen Charakter. Aber warum nicht einmal, dachten sich wohl die Marketingstrategen bei KiWi, das Lebendige, das Lebensnahe eines Romans betonen und ihn sozusagen mit den Mitteln der Natur bewerben? Außerdem: Die Äpfel waren gut, die Apfelkerne mit ihrem Bittermandelaroma sowieso – und womöglich war die Aktion der entscheidende Schub für Hagenas Roman, die Bestsellerliste zu erklimmen und dort lange zu verweilen.

Denn natürlich ist das der Sinn solcher Aktionen: Rezensenten und Buchhändler aufmerken zu lassen, ein Signal setzen, das ein Buch aus den großen Stapeln heraushebt, Nachhaltigkeit schaffen. So liegen immer mal wieder Likörfläschchen, Schokoladentafeln oder Brausepülverchen den Rezensionsexemplaren bei. Und so waren seinerzeit die weniger gesundheitsbewussten Literaturredakteure unter uns doch traurig, dass der Eichborn Verlag darauf verzichtete, Sven Regeners „Herr-Lehmann“-Bücher zusammen mit einer Kiste Beck’s Bier zu verschicken (oder wenigstens einem Sechserträger).

All das ist allerdings nichts gegen den Einfall, den der Heyne Verlag gerade gehabt hat. „Killer-Virus“ heißt das Debüt des amerikanischen Krimi-Autors Rip Gerber – und der Heyne Verlag verschickte mit dem Buch ein gar nicht mal so unbrauchbares Stethoskop und dazu eine Broschüre, auf der die Herzfrequenzmessung folgender Einteilung unterliegt: von bradykard wie „Ausbruch“ über „Cardiopatch“ und „Virulent“ bis „Hands against terror“ für extrem tachykard. „Hochspannend bis zur letzten Seite. Bitte messen Sie selbst!“, empfiehlt der Verlag. Was soll da noch schiefgehen? Dieser Krimi kann ja nur gut sein! Oder?

Dass ein Stethoskop allein das Herz beim Krimilesen zum Rasen bringt, das wiederum weiß man beim Bastei Lübbe Verlag, der dieser Tage gleich eine ganze Buchregalattrappe herumschickte.

Natürlich Kirschholz, natürlich ein Bestsellerregal. Mit „Erbarmen“ von Adler Olsen, mit „Feind im Schatten“ von Henning Mankell, mit einem Buch von Stieg Larsson und einem von Jo Nesbö. Und mittendrin der Debütroman von Lars Kepler, der nicht so heißt, sondern das Pseudonym eines schreibenden Ehepaares ist. „In Schweden sensationell erfolgreich und das Buchereignis des Jahres“ und schon in dreißig andere Länder verkauft, informiert Bastei Lübbe. Doch scheint sich der Verlag seiner Sache hierzulande nicht so sicher zu sein. Denn warum dieses schöne Buchregal? Warum dieses Herbeizitieren der anderen Krimi-Bestseller? Lustig ist es, keine Frage, und Lars Kepler kann ja auch noch niemand kennen. Durch die Hintertür hat diese Marketing-Aktion wieder was von den Sprüchen, die man sonst so von Verlagen kennt, zum Beispiel: „Für die Leser von Anna Gavalda“. Am Ende können noch so viele Bestseller-Romane als Referenz genannt werden, noch so viele leckere Äpfel, Schokoladen oder Biere zum Lesen einladen, da zählt doch einzig und allein die Lektüre, der Lektüreeindruck.

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