zum Hauptinhalt

Literatur BETRIEB: Das große Schrumpfen

In Frankfurt ist man momentan nicht gut zu sprechen auf Berlin. Erst war es der Suhrkamp Verlag, der sich letztes Jahr aller Tradition zum Trotz vom Main an die Spree aufmachte; dann verkündeten Anfang dieses Jahres die Verlage Aufbau und Eichborn ihre Kooperation, inklusive eines Standortwechsels des in Frankfurt ansässigen Eichborn Verlags nach Berlin; und seit ein paar Tagen ist es beschlossen, dass auch die „Frankfurter Rundschau“ ihre überregionalen Seiten in Berlin produziert und in Frankfurt nur die Lokalredaktion verbleibt.

In Frankfurt ist man momentan nicht gut zu sprechen auf Berlin. Erst war es der Suhrkamp Verlag, der sich letztes Jahr aller Tradition zum Trotz vom Main an die Spree aufmachte; dann verkündeten Anfang dieses Jahres die Verlage Aufbau und Eichborn ihre Kooperation, inklusive eines Standortwechsels des in Frankfurt ansässigen Eichborn Verlags nach Berlin; und seit ein paar Tagen ist es beschlossen, dass auch die „Frankfurter Rundschau“ ihre überregionalen Seiten in Berlin produziert und in Frankfurt nur die Lokalredaktion verbleibt. Nur gut, dass Verlage wie S. Fischer, Schöffling, Stroemfeld oder Joachim Unselds Frankfurter Verlagsanstalt (FVA) die Stellung halten, und auch Ulla Unseld-Berkéwicz mit literarischen Soirées in der Unseld-Villa in der Klettenbachstraße noch einen Suhrkamp-Posten bezieht – auf dass Frankfurt nicht zum „Apfelweinprovinzschnarchnest“ werde, wie der in Frankfurt sehr gern lebende Schriftsteller Andreas Maier die Stadt einmal in einer seiner Kolumnen gar nicht mal so abwertend genannt hat.

Wer sich aber ganz ultimativ verabschiedet, das ist der Eichborn Verlag. So ultimativ, dass einem auch um seine Zukunft in Berlin bange ist. Letzte Woche wurde bekannt, dass nach der Übernahme der Eichborn-Aktienmehrheit durch Aufbau-Eigner Matthias Koch gerade einmal 13 der 48 Eichborn-Mitarbeiter eine sogenannte Änderungskündigung erhalten haben und somit die Chance bekommen, für Eichborn unter dem Dach des Aufbau Verlags weiterzuarbeiten. Den restlichen Verlagsmitarbeitern ist betriebsbedingt gekündigt worden. Ihre Arbeitsplätze werden mit dem Umzug von Eichborn am 1. Juli ins neue Aufbau-Haus an den Kreuzberger Moritzplatz wegfallen. Unklar ist zudem, wieviele der übrig gebliebenen dreizehn Eichborner dann wirklich nach Berlin kommen. Summa summarum wird der Verlag also um gute drei Viertel der Belegschaft gesundgeschrumpft. Das wirft die Frage auf, wieviel von Eichborn bleibt? Ob der Verlag am Ende doch nicht mehr als ein Imprint von Aufbau wird, so wie etwa Rütten & Loening?

Synergieeffekte sind das eine, in Sachen Vertrieb, Marketing und Presse beispielsweise. Das andere aber der Erhalt verlegerischer Eigenständigkeit, der programmatischen Unabhängigkeit, auf die Eichborn-Vorstand Stephan Gallenkamp weiterhin pocht. Wobei sich hier genauso die Frage stellt, was das besondere Profil bei Eichborn zuletzt eigentlich war?

Nicht erst seit dem Weggang von Wolfgang Hörner, der mit Eichborn Berlin den Eichborn Verlag in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur weit vorn positionierte (und das nun unter dem Dach von Kiepenheuer & Witsch bei Galiani tut), wirkte das Programm doch manchmal etwas orientierungslos und unscharf, sieht man einmal von der Anderen Bibliothek ab, dem Leuchtturm bei Eichborn.

Die Andere Bibliothek wird es sicher weiterhin geben, da dürfte am Moritzplatz keiner dran rütteln wollen. Ansonsten sind zwei Modelle denkbar: Eichborn wird eine neue Kreativzelle mit ungewöhnlichen, mutigen Büchern, die für Aufbau nicht in Frage kommen. Auch mit nur 13 verbliebenen Mitarbeitern lässt sich schließlich etwas auf die Beine stellen, Verlage wie Matthes & Seitz, Transit, Verbrecher oder Blumenbar machen das mit noch viel weniger Mitarbeitern.

Oder Eichborn bekommt ein bestimmtes Profil von seinem starken Partner übergestülpt. So wie beispielsweise der btb-Verlag unter dem Dach von Random House. btb ist neben Knaus und Luchterhand einer der literarischen Verlage des Bertelsmann-Konzerns, wo er nach einer Ausrichtung mit bevorzugt deutschsprachigen Titeln inzwischen für die skandinavische und isländische Literatur zuständig ist, insbesondere Kriminalliteratur.

Manchmal hängen Wohl, Wehe und Ausrichtung eines Verlags aber auch nur von einem einzigen Erfolgstitel ab. Aktuell ist das gerade bei Aufbau so. Da wunderte man sich sehr, dass ausgerechnet die Wiederauflage von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ in einer ungekürzten Originalfassung der Aufbau-Spitzentitel des Frühjahrs war. Aber siehe da: Die Fallada-Ausgabe wurde ein ungeahnter Erfolg. Seit fünf Wochen steht sie ganz vorn in den Belletristik-Bestsellerlisten.

Zur Startseite