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Literatur BETRIEB: Der große Wechsel

Als Thomas Kapielski erstmals seine Aufwartung im Literaturbetrieb machte, klagte er in seinem opus magnum „Sozialmanierismus“: „Aber ach, man war dem Kunstbetrieb geflohen und geriet nun in den Schlick des nächsten Idiotenbetriebs.“ Das war zu der Zeit, 1999, da Kapielski als spätberufener Autor nach Klagenfurt zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen worden war und dort auftrat mit einem Text, den er später als „Halbstünder“ bezeichnete, „der nun, so als Meta-Mucke, auch unbedingt mitreflektieren musste, was ich da so als neues Betriebsrädchen im Schreibgeschäft eigentlich machte.

Als Thomas Kapielski erstmals seine Aufwartung im Literaturbetrieb machte, klagte er in seinem opus magnum „Sozialmanierismus“: „Aber ach, man war dem Kunstbetrieb geflohen und geriet nun in den Schlick des nächsten Idiotenbetriebs.“ Das war zu der Zeit, 1999, da Kapielski als spätberufener Autor nach Klagenfurt zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen worden war und dort auftrat mit einem Text, den er später als „Halbstünder“ bezeichnete, „der nun, so als Meta-Mucke, auch unbedingt mitreflektieren musste, was ich da so als neues Betriebsrädchen im Schreibgeschäft eigentlich machte. Man sollte immer wissen, was man eigentlich macht und vor allem mitmacht“.

Inzwischen weiß Kapielski das ganz gut. Ohne zu lästern hat er gerade einen Preis entgegengenommen, der gewissermaßen aus dem Zentrum des Literaturbetriebs kommt, den Preis der Literaturhäuser, der ihn ab nächste Woche durch diverse Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen wird. Hier soll er nicht nur lesen und performen, sondern wird zudem gelobt und gepriesen. Auch das Essen, das ihm zu Ehren während der Messe in Leipzig gegeben wurde, mundete und gefiel, wie er kurz darauf in seinem Blog notierte: „Abends ein sehr angenehmes Preisessen in einem Restaurant Heine. Alle Literaturhausleute ausnahmslos nette Menschen! (Meine Frau, die beruflich einem großen „Kollegium“ angehört, konnte es gar nicht fassen.) Neben Herrn Kölmel und Gattin sitzend aßen wir kleine Sepiageleewürfel und amüsierten uns prächtig.(...)“

Kapielski hat also den Wechsel vom Goldenen Hahn in die Hochkultur problemlos gemeistert. Doch tut sich im Moment auch in umgekehrter Fahrtrichtung so einiges. Letzte Woche wurde bekannt, dass Joachim Lottmann den Wolfgang-Koeppen-Preis der Stadt Greifswald erhält. Dieser Preis ist kein übermäßig wichtiger Literaturpreis, es gibt ihn auch erst seit 1998, und zwar alle zwei Jahre für Schriftsteller, „die unbeirrt von Mode und Zeitgeist ihren Weg gehen“. Vorgänger von Lottmann sind unter anderem Ludwig Fels, Susanne Riedel, Thomas Lehr oder Sibylle Berg, also ehrenwerte Preisträger.

Nun also Lottmann, von dem es an dieser Stelle neulich erst hieß, man solle auf ihn achtgeben. Trotzdem: Hier Wolfgang Koeppen, Großschriftsteller, eine der zentralen Figuren im Kanon der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Und dort Joachim Lottmann, der umstrittene, halbseidene Popautor mit Geldproblemen, der nur zu gut weiß, was Moden und Zeitgeist bedeuten. Ein starker Kontrast. Für Sibylle Berg, die ihren Nachfolger ausgesucht hat, so sehen es die Statuten des Preises vor, ist Lottmann „einer der unterschätzten Schriftsteller Deutschlands, der ein grandioses erzählerisches Talent besitzt und auf sehr hohem Niveau unterhält“. Er habe die Gabe, „zu beobachten, ohne zu verbittern“. Vor allem hat er die Gabe, Oliver-Kahn-mäßig immer weiterzumachen, Konjunktur für Popromane hin oder her. Unbeirrbarkeit, dein Name sei Lottmann. Spannend wird sein, wen Lottmann 2012 als Nachfolger wählt: Holm Friebe? Sascha Lobo? Katrin Passig? Unterwandert die Zentrale Intelligenz-Agentur nach Klagenfurt auch Greifswald und den Koeppen-Preis?

Genauso überraschend wie der Preis für Lottmann ist die ebenfalls letzte Woche verkündete Verleihung des Kleist-Preises an Ferdinand von Schirach für sein Buch „Verbrechen“. Dass dieses literarische Qualitäten hat, ist unbestritten. Aber ein Preis, den zuletzt etwa Wilhelm Genazino oder Arnold Stadler bekommen haben, also Schriftsteller mit einem Werk? An einen Autor, der im Erstberuf Jurist ist und nur nebenbei schreibt? Dessen Fallgeschichten eher eine Form von Zweitverwertung sind, wenn auch eine sehr gute? Das ist ungewöhnlich, gewagt gar.

All das deutet darauf hin, dass Bewegung in die Literaturpreisverleihungen gekommen ist. Dass ungewöhnliche Schreibweisen goutiert werden, dass Literarizität und Unterhaltung sich nicht ausschließen (und was ist Thomas Kapielski in seiner onkeligen Verbocktheit nicht für ein grandioser Unterhalter!). Da zeichnet sich ab, dass der Büchner-Preis, die wichtigste Auszeichnung in der deutschsprachigen Literatur, die Ende Mai verliehen wird, an niemand anderen geht als: Rainald Goetz.

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