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Literatur BETRIEB: Großer Aufschlag

Was war das doch für eine Aufregung, als der Suhrkamp Verlag vor einem Jahr endgültig von Frankfurt nach Berlin umzog! Da gab es zahllose Texte und Berichte über Frankfurt ohne Suhrkamp, über Berlin mit Suhrkamp, über Suhrkamp ohne den alten Suhrkamp-Spirit, über Suhrkamp mit dem neuen Berlin- und Näherdran-Spirit, über Suhrkamp im Nicolai-Haus, über Suhrkamp überall, nur nicht im Nicolai-Haus, kurzum: über einen Verlag, der nicht nur aus ideologischen, sondern vermutlich auch finanziellen Gründen sich räumlich veränderte.

Was war das doch für eine Aufregung, als der Suhrkamp Verlag vor einem Jahr endgültig von Frankfurt nach Berlin umzog! Da gab es zahllose Texte und Berichte über Frankfurt ohne Suhrkamp, über Berlin mit Suhrkamp, über Suhrkamp ohne den alten Suhrkamp-Spirit, über Suhrkamp mit dem neuen Berlin- und Näherdran-Spirit, über Suhrkamp im Nicolai-Haus, über Suhrkamp überall, nur nicht im Nicolai-Haus, kurzum: über einen Verlag, der nicht nur aus ideologischen, sondern vermutlich auch finanziellen Gründen sich räumlich veränderte.

Die Aufregung aber hat sich schnell gelegt. Manchmal kommt es einem vor, als sei der Verlag schon viel länger in Berlin, so schnell hat er sich eingelebt, so gute Aufschläge hat er gemacht etwa mit dem passageren Edition-Suhrkamp-Laden in der Linienstraße, der Rainald-GoetzBuchvorstellung in der Pappelallee oder der Rafael-Horzon-Buchpremieren-Party im Berghain. So gut gelaunt sich Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz auf mancher Berliner Suhrkamp-Veranstaltung aber präsentierte, so zurückhaltend und öffentlichkeitsscheu gibt sie sich sonst. Fragt man bei der obersten Suhrkamp-Medienbeauftragten Tanja Postpischil, ob man sich einmal mit der Verlegerin treffen und – beispielsweise – über das erste Berliner Suhrkamp-Jahr sprechen könnte, antwortet sie: Nein, keine Chance, Ulla Unseld-Berkéwicz gibt keine Interviews, „aus Zeitgründen“.

Mit ihr aber, Tanja Postpischil, könne man problemlos ein Interview führen, sie habe da einige Erfolgsmeldungen parat. Für Suhrkamp sei das Jahr 2010 ein sehr gutes gewesen, so Postpischil, womit sie nicht den Umzug meint und wie sich der Verlag in Berlin positioniert hat, sondern das überaus erfolgreiche 60-Jahre-Suhrkamp-Jubiläumsprogramm. Sie hat natürlich auch Zahlen parat, die hier nicht verschwiegen werden sollen. Wiewohl man dabei immer die in den Buchhandel ausgelieferten Exemplare von den tatsächlich verkauften unterscheiden muss.

So sollen von Christa Wolfs Roman „Stadt der Engel“ fast 70 000 Exemplare ausgeliefert worden sein, was bei Wolfs treuem Publikum und ihrer literarischen Schwergewichtigkeit nicht verwundert. Aber auch Isabel Allende ist weiterhin ein Renner des Verlags. Über 100 000 Exemplare sind von dem jüngsten Allende-Historienroman „Die Insel unter dem Meer“ rausgegangen. Umso wichtiger, dass Allende dem Verlag erhalten bleibt. Denn die in den USA lebende Chilenin wird ebenfalls von Carmen Balcells vertreten, der Varga-Llosa-Agentin, die nach Rücksprache mit Vargas Llosa dessen Rechte meistbietend versteigert hatte (wiewohl auch hier der Suhrkamp Verlag schöne schwarze Zahlen schreibt: über 400 000 Vargas-Llosa-Bücher sollen nach der Nobelpreisverkündung abgesetzt worden sein.) Die dritte Erfolgsfrau im Suhrkamp-Bunde ist Marie N’Diaye, die Prix-Goncourt- und Internationaler Literaturpreisträgerin, deren Roman „Drei starke Frauen“ bei 50 000 liegt. Allerdings wurde er in den Bestsellerlisten nie gesichtet – im Gegensatz zu Don Winslows grandiosem Mexiko-Drogenkriegs-Thriller „Tage der Toten“, von dem Suhrkamp sehr ordentliche 100 000 Exemplare ausgeliefert hat.

Drei starke Frauen und ein Thriller: Vier veritable Suhrkamp-Bestseller, und solche hat es in den letzten Jahren ja nicht so viele gegeben. Sieht man einmal von Christa Wolf ab, sind alle anderen internationale Titel, auch das ein kleines Phänomen: Der Suhrkamp Verlag steht ja eigentlich vor allem für gute deutsche Wertarbeit.

Dass der Erfolg mit internationalen Titeln von Dauer ist, dafür hat der Verlag gleichfalls Vorsorge getroffen. Nächstes Jahr stößt der ehemalige Suhrkamp-Lektor und gerade bei Eichborn als Belletristik-Programmleiter tätige Karsten Kredel erneut zu Suhrkamp. Kredel wird Programmleiter für die Internationale Literatur, ein Posten, den es bislang beim Suhrkamp Verlag nicht gab. Da murkelte jeder Cheflektor der jeweiligen Reihen oder beim Insel Verlag so vor sich hin. Ein Perspektivposten, besetzt mit einem echten Perspektivspieler: Der Suhrkamp Verlag scheint also auch im Innern zu Neustrukturierungen in der Lage zu sein. Und darüber muss sich wirklich keiner aufregen.

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