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Literatur BETRIEB: Jede Sekunde zählt

Naht eine Buchmesse, wie nächste Woche die Leipziger, beginnt immer auch die hohe Zeit der Prominenten, die meinen, nicht nur schauspielern, Fußballer trainieren oder Fußball spielen, musizieren, moderieren, Nachrichten verlesen oder sonstwas machen, sondern auch Bücher schreiben zu können. Früher sollte ein Mensch irgendwann im Leben ein Haus gebaut oder einen Baum gepflanzt haben – heute tut es auch das Verfassen oder Verfassenlassen eines Buchs.

Naht eine Buchmesse, wie nächste Woche die Leipziger, beginnt immer auch die hohe Zeit der Prominenten, die meinen, nicht nur schauspielern, Fußballer trainieren oder Fußball spielen, musizieren, moderieren, Nachrichten verlesen oder sonstwas machen, sondern auch Bücher schreiben zu können. Früher sollte ein Mensch irgendwann im Leben ein Haus gebaut oder einen Baum gepflanzt haben – heute tut es auch das Verfassen oder Verfassenlassen eines Buchs. Und wenn es nur das eine über das eigene Leben ist. Trotzdem ist man stets auf Neue überrascht, wer das Buchschreiben alles nicht lassen kann: Ob es sich nun um Peter Neururer oder Stefan Kießling handelt (Fußball), um Katharina Saalfrank, Franka Potente oder Sarah Kuttner (Film, Funk, Fernsehen), Frank Spilker oder Jochen Distelmeyer (Pop, Hamburger Schule), Karl Lagerfeld oder Fiona Bennett (Mode, Hutmachen).

Nicht mehr nur eine der „bekanntesten Film- und Fernsehschaupielerinnen“ ist jetzt auch die als „Tatort“-Kommissarin Charlotte Sänger berühmt gewordene Andrea Sawatzki. Sie darf jetzt zusätzlich als Krimischriftstellerin bezeichnet werden, erscheint doch kommende Woche ihr erster Roman, ein „Kriminalroman und abgründiges psychologisches Porträt zugleich“, so der Piper Verlag. „Ein allzu braves Mädchen“ heißt das Sawatzki–Romandebüt. Das erinnert auffällig an den Titel des erfolgreichen Jan-Seghers-Krimis „Ein allzu schönes Mädchen“, aber im Kriminalfach sind bewusst gesuchte Nähen bei der Covergestaltung und der Titelwahl angesichts der großen Konkurrenz gang und gäbe.

Die Buch-Premiere von „Ein allzu braves Mädchen“ mit Freunden und Medienvertretern wurde am vergangenen Donnerstag in Berlin gefeiert. Der Piper Verlag hatte das Rocco & Sanny gemietet, ein italienisches Restaurant in der Friedrichstraße nahe dem Oranienburger Tor, direkt neben der Absturzbar Kingsize gelegen und seltsam anachronistisch im Retro-Chic der neunziger Jahre eingerichtet. Tatsächlich wird dieses erst 2012 eröffnete Restaurant nur bis September existieren, danach soll das gesamte Haus zu einem Hotel umgebaut werden. Deshalb wohl auch die an die improvisierten Mitte-Bars in den wilden neunziger Jahren erinnernde Einrichtung. Man darf es getrost Zitat-Pop nennen.

Warum Andrea Sawatzki den Roman geschrieben hat, wie sehr das Schreiben für sie eine Notwendigkeit war, erfährt man an diesem Abend nicht. Die Autorin konzentriert sich auf ihre halbstündige Lesung. Immerhin verrät Piper-Programmleiter Thomas Tebbe begrüßungshalber, wie der Produktionsprozess und die Zusammenarbeit mit der Schauspielerin vor sich gingen. Der Roman sei in Drehpausen entstanden, Teile davon habe die Schauspielerin auf dem iPhone geschrieben und damit auch an den Verlag versandt. Von „einer erstaunlichen Entwicklung in drei Schritten“ spricht Tebbe: von einer tagebuchartigen Erstfassung über einen Kriminalroman bis zu jenem „psychologischen Kammerspiel“, das der Roman jetzt geworden sei.

Schlecht klingt es nicht, was Sawatzki schließlich liest. Lesen kann sie, schreiben womöglich auch. Ein toter alter Mann in einer Villa, erschlagen mit einer scharfkantigen Waffe, eine junge Frau, die verwirrt im Wald aufgefunden wird, in der Psychiatrie landet und einer Psychiaterin ihr Leben erzählt, von ihrer Mutter berichtet, die sich angeblich das Leben genommen hat, und ihrem Vater, um den sie sich als Kind schon kümmern musste – darum geht es. Und darum, dass eben doch nicht alles so ist, wie die junge Frau das ihrer Therapeutin so zurechtlegt.

Das ist sicher nicht die ganz hohe, von viel psychologischer Raffinesse durchdrungene Erzählkunst, dürfte unterhaltenden Effekt aber nicht verfehlen. Und wohl sein Publikum finden: Mit 25 000 Exemplaren geht der Verlag in den Buchhandel, und falls die sich verkaufen sollten, wird Sawatzki bestimmt weitere Bücher folgen lassen.

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