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Kultur: Literatur-Nobelpreis: Aus der Rede von Gao Xingjian

Gao Xingjian, der diesjährige Literatur-Nobelpreisträger, warnte bei der Preisverleihung am Donnerstagabend vor einer Verwechslung von Literatur und Politik. In seiner Rede vor der Schwedischen Akademie in Stockholm sagte er: "Wenn die Literatur zur Ode an ein Land wird, zum Banner einer Nation, zur Stimme einer Partei, zum Sprecher einer Klasse oder einer Gruppe, dann wird sie es nicht vermeiden können, ihre wahre Natur zu verlieren; sie wird nicht mehr literarisch sein, sondern Nutzobjekt im Dienste der Macht.

Gao Xingjian, der diesjährige Literatur-Nobelpreisträger, warnte bei der Preisverleihung am Donnerstagabend vor einer Verwechslung von Literatur und Politik. In seiner Rede vor der Schwedischen Akademie in Stockholm sagte er: "Wenn die Literatur zur Ode an ein Land wird, zum Banner einer Nation, zur Stimme einer Partei, zum Sprecher einer Klasse oder einer Gruppe, dann wird sie es nicht vermeiden können, ihre wahre Natur zu verlieren; sie wird nicht mehr literarisch sein, sondern Nutzobjekt im Dienste der Macht. Die Literatur ist im Laufe des 20. Jahrhunderts am meisten von der Politik und der Macht geprägt worden."

Außerdem sagte der in Frankreich lebende Exil-Chinese: "Im Laufe dieses Post-Nietzsche-Jahrhunderts haben die vom Menschen hervorgerufenen Katastrophen die schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Menschheit hinterlassen. Doch die verrückten Worte eines extrem narzistischen Philosophen sind nichts im Vergleich zu den Verbrechen, die durch den Rückgriff auf die Gewalt von all den Übermenschen ausgelöst wurden, die man Führer, Staatschefs oder Oberste Kommandanten der Nation nennt."

Auch auf sein Herkunftsland China ging Gao Xingjian ein: "Die gegen die traditionelle chinesische Kultur geführte Strafexpedition hat im Namen der Revolution zum öffentlichen Verbot von Büchern sowie ihrer Verbrennung geführt. Seit 100 Jahren ist die Zahl der erschossenen, inhaftierten, zum Exil gezwungenen oder zur Zwangsarbeit verurteilten Schriftsteller unermesslich - ohne Vergleich mit den kaiserlichen Dynastien in der Geschichte Chinas. Ein Schriftsteller, der Gedankenfreiheit haben wollte, hatte nur das Mittel der Flucht, wenn er das Schweigen ablehnte. Wenn man sich die Geschichte der Literatur im Osten wie im Westen anschaut, so war es immer so: von Qu Yüan bis Dante, Thomas Mann, Solschenizyn oder den chinesischen Intellektuellen, die nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz ins Exil gingen sind." Während der Diktatur Maos sei jedoch selbst die Flucht unmöglich gewesen.

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