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Kultur: Literatur-Tipps: Bruno Preisendörfer über Gedanken, die auf Reisen gehen

Reisen und Schreiben, beziehungsweise Lesen, sind keine artverwandten Künste, auch wenn das von einfallsloser Buchreklame in den Urlaubsmonaten behauptet wird, wenn vom "Reisen im Kopf" und dergleichen ausgewaschene Metaphern die Rede ist. Reisen und Schreiben können aber zur ästhetischen Parallelaktion werden, wie bei Paul Theroux oder dem kultisch überschätzten Bruce Chatwin, über den sogar Shakespeare eine Biografie geschrieben hat - aber es war nur der Nicolas (das Buch wird demnächst auf Deutsch erscheinen).

Reisen und Schreiben, beziehungsweise Lesen, sind keine artverwandten Künste, auch wenn das von einfallsloser Buchreklame in den Urlaubsmonaten behauptet wird, wenn vom "Reisen im Kopf" und dergleichen ausgewaschene Metaphern die Rede ist. Reisen und Schreiben können aber zur ästhetischen Parallelaktion werden, wie bei Paul Theroux oder dem kultisch überschätzten Bruce Chatwin, über den sogar Shakespeare eine Biografie geschrieben hat - aber es war nur der Nicolas (das Buch wird demnächst auf Deutsch erscheinen).

Wie geht es zu, wenn Schriftsteller, die angeblich "Individualisten" (schreckliches Wort) sind, in Rudeln auf Reisen geschickt werden? In der sonnengelben Sommerausgabe der Zeitschrift "Lettre" steht ein Bericht über die Reise einer afrikanischen Literaturkarawane, die vom senegalesischen Dakar bis nach Timbuktu in Mali führte. Die südafrikanische Autorin Antjie Krog schreibt: "Wie schon die meisten Expeditionen in früheren Zeiten begann auch diese Reise nach Tombouctou als unerfüllbarer Traum - eines späten Abends machten sich zwei Dichter an seine Umsetzung: Chenjerai Hove aus Simbabwe und Breyten Breytenbach aus Südafrika. Sie stellten sich vor, wie Dichter die uralte Handelsroute nahmen. Wie schon zahllose Kamelkarawanen sollten die Dichter losziehen, an den alten Stationen Wasser fassen und rasten und mit den örtlichen griots (dörfliche Geschichtenerzähler) auftreten."

Bei uns geht es da schon luxuriöser zu. Am Freitag, fahrplanmäßige Ankunft 18:39, rollt der europäische Literatur Express in den Bahnhof Friedrichstraße. Die Veranstaltungen um diese literarische Haupt- und Staataktion beginnen heute und dauern bis Sonntag. Die Einzelheiten würden Seiten füllen, was in der Sonntagsausgabe dieser Zeitung bewiesen wurde. Die deutsche "Abordnung", genauer gesagt die Abordnung aus Deutschland, besteht aus der Hamelnerin Felicitas Hoppe, dem Rumäniendeutschen Richard Wagner und der Kroatin Dubravka Ugresic. Alle drei leben in Berlin. Bei dieser Gelegenheit, ich kann nicht widerstehen, will ich Ihnen Ugresics "Museum der bedingungslosen Kapitulation" ans Herz legen. Es gibt derzeit nichts in der zeitgenössischen deutschen Literatur, was in so hinreißender Weise erzählerische Schönheit und intellektuelle Analyse miteinander verbindet wie dieses Buch.

Die "Sommernacht der Lyrik" in der Literaturwerkstatt hat Tradition, und mit der kann man brechen. Also findet sie diesmal unter dem Titel "Weltklang" auf dem Potsdamer Platz statt (Samstag, ab 20 Uhr). Unter anderen dichten Adonis, Volker Braun, Inger Christensen und Ben Okri. Für jedes der live vorgetragenen Gedichte installiert Gunda Förster einen Lichtraum. "Weltklang" ist übrigens die Abschlussveranstaltung zum Literaturexpress.

Den Satz der letzten Woche über Bücher und Bestseller hat ein großer Reisender spendiert. Es war Ryszard Kapuscinski. Seiner Bemerkung lässt sich ein weiteres Zitatwägelchen zum Thema Büchermachen anhängen, denn: "Es ist der gute Leser, der gute Bücher macht." In diesen Tagen hat in Berlin fast alles, was mit Literatur zu tun hat, auch mit dem Express zu tun. Zum Schluss trotzdem ein Hinweis auf eine Veranstaltung nach dem großen Bahnhof. Am Dienstag um 20 Uhr lesen im Literarischen Colloquium fünf der sechs "aktuellen" Berlin-Stipendiaten: Melinda Nadj Abonji, Bastian Böttcher, Sarah Khan, Thomas Klees und Maike Wetzel.

Aus der Serie:\"Babel & Co\"

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