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Anne Webers Roman "Luft und Liebe": Revanche am Schicksal

Wie legt man es an, wenn das eigene gerade gelebte Leben der Stoff ist, den man unbedingt erzählen will, und zwar so, dass es möglichst alle merken? Anne Weber erzählt gewitzt von „Luft und Liebe“.

Man verkleidet seine Figuren, verkleidet sich selbst, und redet ausführlich darüber. So macht es Anne Weber, und derart inszeniert sie ein Verwirrspiel zwischen sich, der Autorin, ihrer schreibenden Stellvertreterin in „Luft und Liebe“, und der entsprechenden Figur aus einer Erstfassung dieses Romans, damit auch der Letzte begreift, dass es immer um sie selbst geht.

Und weil es für einen gelungenen Roman ja sowieso vollkommen gleichgültig ist, ob das Erzählte einmal ‚wahr‘ war oder nur erfunden ist – es gibt ja nur die eine Wahrheit innerhalb des Romans –, und weil Anne Weber keine ist, die aus der Yellow Press bekannt wäre, hätte es wenig Sinn, dieses Buch als Schlüsselroman lesen zu wollen, geschweige denn als Schlüssellochroman.

Es mag genügen, die 1964 in Offenbach geborene und heute vor allem in Paris lebende Autorin dabei zu beobachten, wie sie Distanz zur eigenen Geschichte und Humor sich selbst gegenüber zu gewinnen versucht und dabei nahezu durchweg alle möglichen Peinlichkeiten umgeht. Und, auch das soll hier gleich gesagt sein für alle, die Anne Webers bisherige Bücher kennen: Sie kann es wider Erwarten sehr unterhaltend.

Die Geschichte selbst ist eine Geschichte von Betrug und Verrat, also ein Klassiker. Es ist keine Geschichte der Liebesenttäuschung, denn zwar hat sich die Heldin verliebt, in einen blassen, unauffälligen Mann, der allerdings von Adel ist, ein Schloss sein eigen nennt und sie mit seinen Liebesbeteuerungen herumkriegt, aber bis zur Liebe wäre es doch noch ein gutes Stück. Von Liebe ist hier kaum die Rede, eher schon von dem Willen und der Entschlossenheit, zu bekommen, was man haben will: erst den Mann, dann diesen als Ehemann und schließlich noch ein Kind von ihm.

Die beiden sind jedoch nicht mehr die Jüngsten, und also muss man sich medizinischer Hilfe anvertrauen, um zu bekommen, was man will, und da nun die Autorin sich offensichtlich vorgenommen hat, den Leser gut zu unterhalten, ahnt man bereits, dass jetzt nicht alles seinen freundlichen Gang geht, denn auch in liebesähnlichen Geschichten sind es die Fatalitäten, aus denen der Witz kommt.

Leider kann man die hier nicht erzählen, wollte man dem Leser nicht das Vergnügen nehmen, das einem dieses Buch bescheren kann. Jedenfalls schlägt das Schicksal zügig und umstandslos mit Ohrfeigen zu, und mit einer Art Exorzismus zeigt sich die Düpierte als furiose Furie in großer Form, ehe sie sich zuletzt fit für das nächste Unheil präsentiert.

An einer Stelle resümiert die Autorin ihr therapeutisches Tun nachdenklich so: „Was ist ein Roman oder eine Erzählung am Ende anderes, wenigstens, wenn sie sich auf das eigene Leben stützt, als die geglückte Verwandlung von Tiefpunkten in Höhepunkte. Dem Schreibenden gewährt diese Metamorphose eine Art Revanche über das, sagen wir: Schicksal: So lange er dessen Schläge in Sätze verwandeln kann, hat er die Partie noch nicht verloren.“ Nun, echte Höhepunkte sind in einer Literatur wie dieser ja nicht unbedingt vorgesehen, Highlights genügen. Dass man sich auf gewitzte Weise amüsiert, ist auch schon eine Menge. Anne Weber hat in ihrer französischen Umgebung offensichtlich gelernt, Herzensdinge à la Marivaux zu schildern, leicht, locker, zielgerichtet und intelligent.

Apropos „leicht“: Der Rezensent hat der Autorin anlässlich ihres noch bei Suhrkamp erschienenen Romans „Besuch bei Zerberus“ die Fähigkeit attestiert, „auf leichte Art ernst zu werden“. Dann wäre dieses Buch jetzt der Beweis fürs Umgekehrte? Das kann sie auch, auf ernste Weise leicht? Das nun doch nicht, aber es gehört ja auch zum Schwersten überhaupt, und so hoch hat Anne Weber klugerweise gar nicht erst gezielt. Ernst ist in diesem Buch so gut wie nichts. Aber auch auf leichte Art leicht zu sein ist eine Kunst, und dieses Kunststück hat die Autorin hier durchaus gemeistert.

Anne Weber:

Luft und Liebe.

Roman. S. Fischer

Verlag, Frankfurt

a. M. 2010.

189 Seiten, 17,95 €.

Jochen Jung

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