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Literatur: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Er hält seine Bilder selber für „sehr leise“. Bei ihm gebe es „keinen Sex, keine Inszenierung, keinen Aufwand“.

Er hält seine Bilder selber für „sehr leise“. Bei ihm gebe es „keinen Sex, keine Inszenierung, keinen Aufwand“. Und doch sind Jim Raketes Fotos, meist aus den Jahren 2006/07, die er für eine Ausstellung in der Berliner Galerie Camera Work und für den opulenten Band „Vertraute Fremde“ versammelt hat, sanfte Knaller. Fast alle der 191 Bilder sind schwarzweiß und mit der Kurzbelichtung einer Achtelsekunde noch analog aufgenommen. Der Kreuzberger Weltfotograf (der für die, die’s immer noch nicht glauben, vor 57 Jahren wirklich mit dem Namen „Rakete“ geboren wurde) mag sie nicht die Digitalfotografie, vor allem nicht die Schönungen bei Porträts. Also hat er die meisten seiner Fremd-Vertrauten schnell und im Fall der Coverfrau Jana Pallaske nach eigener Aussage noch verschwitzt und gerade vom Fahrrad gesprungen aufgenommen. Es ist ein porennahes Bild – und Jim Raketes Kunst zeigt sich in der noch im Close-up sichtbaren liebevoll-sympathischen, sympathisierenden Distanz.

Daran wirkt die Großbildkamera mit; Rakete hat noch auf Fotoplatten statt Rollfilm belichtet: Auch die Jungen, Poppigen erscheinen vital, ganz heutig, aber in schönem alten Stil. Wie auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Nicht alle sind „sexy“ (siehe oben), aber erotisch!

Alle sind hier auch mehr oder minder prominent, häufig Schauspieler, von Mario Adorf, Ulrich Mühe selig, Otto Sander, Till Schweiger bis Heike Makatsch, Iris Berben oder Nina Hoss (selber an der Kamera). Dazu auch Olli Kahn oder der Maler Markus Lüpertz. Und Politiker, von Schröder bis zur Kanzlerin, und Müntefering mit Aktentasche in der Mark Brandenburg. Fremd vertraut. Manchmal ergeben sich Gruppenbilder und allemal ein Stück deutscher Zeitgeschichte. Peter von Becker

Jim Rakete: 1/8 sec. Vertraute Fremde. Schirmer/Mosel Verlag, München 2008. 272 Seiten, 68 €

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