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Literatur: Bis zum Anschlag

Hochtouriger Thriller: „Driver“ von James Sallis

Driver zählt zu den Besten in Hollywood; sein Talent als Stuntfahrer hat sich auch außerhalb der Studios herumgesprochen. Er gilt als erste Wahl für das Fahren eines Fluchtwagens. Dann läuft ein Raubüberfall aus dem Ruder, und kurz danach findet sich Driver in einem Hotelzimmer in Phoenix wieder: mit einer abgesägten Schrotflinte, drei Leichen und einer Viertelmillion Dollar, die ihm nicht gehören. Also besorgt er sich einen Wagen und tut das, was er am besten kann. Er fährt einfach los.

James Sallis geht mit seinem Car-Crash-Thriller „Driver“ ein hohes Risiko ein. Rasante Verfolgungsjagden und Highway-Duelle sind seit vierzig Jahren ein Vorrecht des Kinos, von „Bullit“ (1968) über „Convoy“ (1975) bis hin zu Tarantinos „Death Proof“ (2007). Sallis versucht aber gar nicht erst, in Konkurrenz zu den „special effects“ auf der Leinwand zu treten. In „Driver“ gibt es nur wenige Szenen, in denen es hart auf hart kommt – und die sind äußerst nüchtern beschrieben: „Zusammenstoß mit zwei Autos, Bootlegger-Wende, Moonshiner, gegenseitiges Streifen.“ Und Cut.

Die eigentliche Verfolgungsjagd findet in diesem hochbeschleunigten Roman nicht auf der Straße statt, sondern im Kopf des Protagonisten. Während Driver über den Highway rast, zieht im Rückspiegel sein Leben an ihm vorbei. Eine kranke Mutter, ein krimineller Vater, später Heimaufenthalte und leidenschaftslose Adoptiveltern: genug Gründe, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten. Also fährt Driver als Teenager illegale Rennen gegen mexikanische Drogendealer oder jagt später einen aufgebohrten Camaro über die leeren Parkplätze draußen vor der Stadt, um seine Technik zu verfeinern. Nächste Ausfahrt: Hollywood. Doch das Honorar für die Stunts in drittklassigen Thrillern und Mad-Max-Remakes interessiert ihn genauso wenig wie sein Anteil an den Raubüberfällen, für die er sich gern zur Verfügung stellt: Er will nur fahren, nichts als fahren.

Darf er. James Sallis, der die Sprache des Hard-boiled-Genres mit einem nüchternen Blick auf die kaputte amerikanische Gesellschaft verbindet, hat die Kulissen für seine Roadnovel sorgfältig ausgesucht. In schäbigen Bars, Motels und Trailer Parks trifft Driver auf Menschen, die genau wie er das Leben nur noch ertragen, weil sie ständig in Bewegung bleiben. Es ist ein Leben, das seine ganz eigene Poesie hat: „Er ließ die Kupplung kommen und bog vom Parkplatz auf die Straße ein, zurück in die Welt, hier an ihrem äußersten Rand. Der gelbe Mond stand am Himmel, Hunderte und Aberhunderte von Meilen lagen noch vor ihm.“ Kolja Mensing

James Sallis: Driver. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger. Liebeskind, München 2007, 158 Seiten, 16,90 €

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