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Buchkritik: Rossbachers: Verlangen nach Drachen

Verena Rossbachers Roman "Verlangen nach Drachen ist eine barocke Feier des Fantastischen. Und saukomisch.

Tote Maulwürfe halten sich in Kühlschränken für eine gewisse Zeit. Schwarze Haare lassen sich in Eiswürfelbehältern einfrieren, Badeseewasser vom Sommer in Gläser füllen. Irgendetwas müssen die Männer doch konservieren, wenn es schon nicht die Liebe zu Klara sein kann, dem Mädchen mit den Beinen wie Blütenstängeln. Es ist immer dasselbe mit ihr: Plötzlich weiß Klara nicht mehr so genau, warum sie Hunger auf andere Männer hat. Kapitel für Kapitel in Verena Rossbachers Roman „Verlangen nach Drachen“ lässt sie einen nach dem anderen sitzen. Das ist die einfache Geschichte.

Drum herum und innen drinnen wuchert es jedoch prächtig: Die Welt, die die Autorin ihren vor Sehnsucht sich verzehrenden Typen und dem Leser baut, ist eine magisch aufgeladene, absurde Welt. Da kann plötzlich der träge Wirtshaushund Frufru sprechen. Blitze durchziehen Waldseen, Uhren bleiben stehen. Und „Klara trägt ein Parfum, das nicht riecht. Aber es wirkt“, sagt Wurlich, der Barpianist. Oder bilden sich das die armen Tröpfe in ihrer einsamen Verzweiflung nicht doch nur ein?

Das Debüt der 1979 im österreichischen Vorarlberg geborenen Rossbacher ist ihre Abschlussarbeit am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, eine barocke Feier des Fantastischen. Und saukomisch. Das liegt an den skurrilen Figuren, die das Wiener Kaffeehaus Neugröschl bevölkern: Striezis, Verlierer und Möchtegern-Cowboys treffen hier aufeinander. Wenn es dem Wirt reicht, schmeißt er alle raus. Dann ist das Neugröschl kein Wirtshaus mehr, sondern eine Autowerkstatt, sagt er. Alles liegt im Auge des Betrachters. Und weil selbst auf den Verstand kein Verlass mehr ist, stolpern die reizüberfluteten Männer sogar durch die Osterdeko-Abteilung eines Kaufhauses wie durch eine Zauberwelt: „Hasen mit bunten Tüchern um den Hals und Weidenkörbchen auf dem Rücken, was soll der Quatsch, murmelte Stanjic, no rabbits in Kleinradieschen, er klopfte auf seinen Gürtel, macht euch vom Acker, Leute, er nahm eine der Pistolen aus dem Halfter, ließ sie um seinen Finger kreisen, ihr habt Glück, heute ist Tag des Hasen, er steckte die Pistole wieder ein, lasst euch hier nie wieder blicken, klar?“

Rossbacher verknüpft die einzelnen Handlungsstränge so beiläufig, als stecke in allem eine kosmische Ordnung. Das geht so weit, dass Klara, die eigentlich nur das eindimensionale Sinnbild einer Verführerin ist, in Japan landet und sich die Verlassenen auf einer Party ausgerechnet mit einem japanischen Tischgrill herumschlagen. Mag ein an den Haaren herbeigezogener Zufall sein. Aber so funktioniert die Sogwirkung des Romans „Hauche, auf dass unter deiner Glut die Seele erglimme“, steht da in der Übersetzung der Bedienungsanleitung geschrieben. Selbst in Elektrogeräten steckt eine poetische Kraft.

Verena Rossbacher: Verlangen nach Drachen. Kiepenheuer und Witsch, 448 Seiten, 19,95 €

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