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DDR: Braune Spuren im "antifaschistischen" Staat

Er freut sich, wenn man ihn als Stadtführer bucht, dann läuft er in der Maske und Uniform Friedrichs des Großen durch Berlin und erklärt seinen Gästen auf fritzische Art die Welt von vorgestern. Das wichtigste Anliegen Olaf Kappelts („Mein Lebenswerk“) ist indes ein Stück Welt von gestern.

Der Historiendarsteller und promovierte Soziologe hat jetzt sein fast 600 Seiten starkes „Braunbuch DDR“ veröffentlicht, eine alphabetisch geordnete Auflistung von über tausend Personen, die in der DDR eine Rolle gespielt haben, aber bis 1945 in verschiedener Weise dem NS-Regime verbunden waren, und sei es auch nur durch eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder ihren Gliederungen. Kappelt hatte als Kind mit seinen Eltern die DDR verlassen. Er fühlte sich von der Selbstgefälligkeit, mit der der andere deutsche Staat der Bundesrepublik den braunen Peter zuschob, provoziert und wollte dem offiziellen Selbstbildnis der DDR als antifaschistischer Staat seine Erkenntnisse entgegensetzen. In diversen Archiven der Nazipartei wurde er fündig: 1981 erschien sein erstes Braunbuch mit 600 Namen, darunter zahlreichen Abgeordneten der Volkskammer. Jetzt nun beschreibt Kappelt, wie Erich Mielke diese Auflistung dessen, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf, zum Anlass nahm, den Autor mit einer Sondereinheit zu observieren. Und er sagt, dass Honeckers letztem Zentralkomitee mehr einstige NSDAP-Mitglieder angehörten als frühere Mitglieder der SPD. Der Beweis ist eine lange Liste von Namen, Funktionen, Orden und Ehrenzeichen. Unbewertet bleiben die Tätigkeiten davor und danach, Kappelt verteilt keine Zensuren, nennt aber Roß und Reiter. So war Fritz Müller, von 1960 bis 1990 Kaderleiter im ZK der SED, seit 1. September 1939 Mitglied Nr. 7142801 der NSDAP. Auch Kurt Blecha, der Leiter des Presseamtes der DDR-Regierung, und ND-Kollegiumsmitglied Günter Kertzscher waren Mitglieder der Nazipartei, ebenso Kanzleramtsspion Günter Guillaume. Sie alle galten als geläutert, quasi „entnazifiziert“ und brauchbar. Günter Schabowski hat ein kluges Vorwort geschrieben, er erklärt die braunen Spuren im Roten: „Ein Nazi, dem es gewährt war, zum Sozialisten, genauer zum Kommunisten zu mutieren, war total und für immer entnazifiziert. Er war wie neugeboren. Wen aber die westdeutsche Demokratie umerzog, der blieb ein Nazi.“

Olaf Kappelt: Braunbuch DDR. Berlin historica-Verlag, Berlin 2009. 587 S., 49,80 €.

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