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© dpa

Deutscher Buchpreis 2009: Verblüffend

Mit ihrer Shortlist, mit den sechs Titeln, die ins finale Rennen gehen, sorgt die Jury des Deutschen Buchpreises für Verblüffung. Es sind Autoren nominiert, die nicht mal als Geheimfavoriten galten.

Als vor einigen Wochen die zwanzig Titel umfassende sogenannte Longlist für den Deutschen Buchpreis 2009 verkündet wurde, waren die Reaktionen freundlich bis gelangweilt. Die Jury hatte solide Arbeit geleistet, viele erwartbare Titel gelistet und sich mit Überraschungen zurückgehalten. Vielleicht haben diese Reaktionen die Jury beleidigt, vielleicht hat sie sich gedacht: Wir können auch anders, wir können auch eigenständig. Denn mit ihrer Shortlist, mit den sechs Titeln, die jetzt ins finale Rennen gehen, sorgt sie für Verblüffung, für einen Paukenschlag.

Kein Peter Stamm, kein Thomas Glavinic, keine Terézia Mora, keine Brigitte Kronauer sind nominiert worden, wie allseits erwartet, und wie sie es verdient hätten, sondern Autoren, die nicht mal als Geheimfavoriten galten: Rainer Merkel mit seinem Beziehungsroman „Lichtjahre entfernt“, der ständig und übergangslos die Zeiten wechselt und ohne Absätze geschrieben ist. Der Schwierigkeitsgrad dieses Romans ist ein ordentlicher, weshalb er eigentlich nur schwer für einen Preis infrage kam, der ja das große Lesepublikum avisiert.

Herta Müller gilt als Top-Favoritin

Oder Norbert Scheuer mit seinem stillen Provinzroman über den Niedergang einer Familie, „Überm Rauschen“. Oder Clemens J. Setz mit seinem 700-Seiten-Buch „Die Frequenzen“, einem artistischen, düsteren Roman über die Stadt Graz und ihre Bewohner. Setz’ Roman stammt aus dem Frühjahr und wurde hierzulande lustiger- und schnöderweise von keinem Feuilleton besprochen – nur in Österreich, wo Setz herstammt, vom Buchpreisjury-Mitglied Daniela Strigl. Und auch mit Kathrin Schmidts Frühjahrsbuch „Du stirbst nicht“, in dem eine Schriftstellerin nach einem Schlaganfall darum kämpft, ihre Sprache zurückzuerlangen, hatte man nicht gerechnet. Schon eher mit Stephan Thomes Bergenstadt- und Provinzroman „Grenzgang“, einem Debüt aus diesem Herbst. Und sicher mit Herta Müllers „Atemschaukel“, der vom Schicksal der Deutschen in Siebenbürgen erzählt, vom Leben eines Mannes in den Lagern Russlands. Müller gilt nun als Top-Favoritin auf den am 12. Oktober im Frankfurter Römer verliehenen Preis.

Aber nützt ihr das was? Die Jury, die berechenbar aus etablierten Literaturkritikern und Redaktionsmitgliedern der einschlägigen Großfeuilletons von „SZ“, „FAZ“ und „Zeit“ zusammengesetzt wurde, hat sich ganz überraschend als unberechenbar erwiesen. Sie hat, wie sich das gehört, die eigene Longlist ernst genommen. Und sie probiert jetzt aus, ob der zum vierten Mal vergebene Deutsche Buchpreis tatsächlich schon größer ist als die für ihn nominierten Romane. Nun muss die Jury nur noch den letzten Schritt gehen und nicht Herta Müller wählen, sondern Rainer Merkel. Oder, noch ungewöhnlicher und das auf die üblichen Verdächtigen setzende Feuilleton (also auch sich selbst) beschämend: Clemens J. Setz. Das wäre was! (gbar)

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