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Literatur: Die Möglichkeiten eines Hobels

Viel plappern, wenig erzählen: Kirsten Fuchs’ fluschig-flauer Roman „Heile, heile“

Kirsten Fuchs:

Heile, heile. Roman. Rowohlt Berlin, Berlin 2008. 316 S., 19, 90 €

Rebekka ist mit A zusammen, will aber B. Sie bekommt B, fühlt sich nicht genug geliebt und schläft deshalb wieder mit A. Das beichtet sie B, der sie daraufhin verlässt. Nun ist Rebekka allein. Und traurig. Ganze 300 Seiten lang. „Heile, heile“ ist nach „Die Titanic und Herr Berg“ der zweite Roman der Berliner Autorin Kirsten Fuchs. Die kindliche Beschwörungsformel des Titels gilt dem verletzten Herzen der 35-jährigen Ich-Erzählerin, den schlecht vernarbten Blessuren und beziehungstechnischen Spätfolgen eines Scheidungskindes. Und zugleich auch dem innigen Wunsch, dass die kranke – kluge, starke und schöne – Freundin Jette ihr Krebsleiden überwinden wird. Das zweite Thema erzählt Fuchs mit Mut zu leiser Komik und mit nie aufdringlicher Empathie, man möchte fast Weisheit sagen, für die Situation todkranker Menschen und ihrer Angehörigen.

Die Herzschmerz-Geschichte ist alltäglich – das ist kein Fehler, Liebesgeschichten haben für Nicht-Betroffene meist was sehr Banales. Kirsten Fuchs tritt diese aber mit ihren emotionalen Begleiterscheinungen erzählerisch so breit, dass sich bereits nach einem Drittel des Textes ein flaues Gefühl im Magen einstellt, wie nach dem Verzehr von zu viel Chips und Schokolade. Dass diese Schalheit durch den Tod der Freundin und die damit vorhersehbar eintretende Relativierung von Verlust und Trauer ein plötzliches Ende findet, wirkt auf dramaturgischer Ebene allzu glatt gelöst.

Die kurzen Texte von Kirsten Fuchs sind fast alle, um ihre Neigung zu kalauerhaften Stilblüten aufzugreifen, würzig und lecker. Das beweist die gelernte Tischlerin und Open-mike-Preisträgerin wöchentlich auf Berliner Lesebühnen und als Autorin der Kolumne „Ich & Wir“ in der Monatszeitschrift „Das Magazin“. Dieser Roman aber ist, kurz gesagt, einfach zu lang. Trotz aller amüsanten sprachlichen Verspieltheit scheint monatelang das Gleiche zu passieren: Die Autorin vermisst B alias Adrian, leidet, arbeitet im Reisebüro, trifft sich mit Freundinnen und geht zu einer radikalen Selbsthilfegruppe namens „Männerentzug“. Überhaupt wird sehr viel geredet, Nabelschau betrieben und vor allem emotional auf der Stelle getreten. Ja, Liebesentwöhnung ist ein schmerzhafter, langsamer Prozess. Und nein, Literatur muss das nicht eins zu eins abbilden. Sie darf – und wenn sie gut ist, tut sie es ohne Wertverlust – abstrahieren, transzendieren, kürzen. Ein Hobel hätte hier sehr gut getan.

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