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Buchmesse Frankfurt

© dpa

Frankfurter Buchmesse: Schwer, leicht, gefällig

Die Literatur-Branche weiß nicht, was sie will – den Publikumsrenner oder den Roman, der ins Risiko geht. Am Ende entscheiden die Leser.

Es ist ein seltsames Pärchen, das da am Freitagabend im Salon 15 des Frankfurter Hofs beim Empfang des Droemer/KnaurVerlags herumstreift. Blau-weiß gemusterte Schlabbershirts, Schirmmütze: zwei Postangestellte auf Ausgehsafari. Man sieht es dem Schriftsteller-Ehepaar Iny und Elmar Lorentz nicht an, dass es die wichtigste Stütze des Verlags ist und mit seinen Büchern für den Hauptumsatz von Droemer/Knaur sorgt. Der ebenfalls an diesem Abend anwesende, auch nicht gerade proper aussehende Hellmuth Karasek ist eine kleine Nummer dagegen. Iny und Elmar Lorentz sind von Beruf Programmierer bei einer Versicherung, nach der Arbeit schreiben sie Historienschrott wie „Die Wanderhure“ oder „Die Kastellanin“. Gesamtauflage: 20 Millionen Exemplare, mit Übersetzungen in neun Sprachen.

Ihr Erfolg konterkariert die Sorgen, die die Gralshüter der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur auf der 59. Frankfurter Buchmesse umtreiben. Iny Lorentz lacht vermutlich nur darüber, mit welchem Aufwand der Literaturbetrieb versucht, Bestseller zu produzieren und Autorinnen wie Katharina Hacker oder Julia Franck mithilfe des Deutschen Buchpreises beim großen Publikum durchzusetzen.

Internationale Aufmerksamkeit hätte der Buchpreis schon jetzt, bei der dritten Verleihung erfahren, hatte Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder am vergangenen Montag zunächst frohlockt. Aber dann dokumentierte er mit einer Zahl, in welchen Grenzen sich das Interesse an deutschsprachiger Gegenwartsliteratur in Amerika und England hält: 400 Übersetzungen aus dem angloamerikanischen Raum stehen nur 26 aus dem Deutschen ins Englische gegenüber. Da geht dann schon mal ein Raunen durch das Agency-Center in Halle 6.1., als bekannt wird, dass Marebuch-Verleger Nicolaus Hansen den kürzlich bei Mare veröffentlichten Kraken-Roman „Der Rote“ gerade nach Amerika verkauft hat. Das Buch des gelernten Biologen Bernhard Kegel erinnert stark an Frank Schätzings „Der Schwarm“. Obendrein hat der Verlag gute Aussichten, die Buchrechte noch einmal eigens nach England zu verkaufen, was zusätzliches Geld in die Kassen spülen würde.

Dass „Der Rote“ ansonsten kaum für Gesprächsstoff bei dieser etwas müden Buchmesse sorgt, versteht sich von selbst: Der Roman ist zu leicht zugänglich, um als echte Literatur angesehen zu werden. Anders als die Bücher von Julia Franck, Annette Pehnt oder Katja Lange-Müller, die sich dennoch in der „Zeit“ vorhalten lassen müssen, zu verständlich zu schreiben und in ihrer Sprache frei von Zweifeln zu sein. „Mittlere Bücher, mittlere Gefühle“, so das Verdikt. Dabei hieß es noch vor gut zehn Jahren, die deutschsprachige Literatur müsse verständlicher werden und das Erzählen neu lernen. Und nun das! Wenn sie jedoch, von Maxim Biller bis Thomas Glavinic, ran an die Wirklichkeit geht, ist es aus den unterschiedlichsten Gründen auch wieder nicht recht.

Aber tatsächlich: Da wird Edelkitsch wie Francks Roman „Die Mittagsfrau“ ausgezeichnet, da sind Familiengeschichten und Jahrhundertromane einmal mehr der Trend der Saison. Und Bücher wie Ulrich Peltzers „Teil der Lösung“ oder Georg M. Oswalds „Vom Geist der Gesetze“, Romane, die nah dran sind an der Gegenwart, aber nicht ohne Risiko geschrieben und frei von Verquastheit sind – auf der Buchmesse sind sie kaum Thema. Was mitunter ein Marketingproblem ist: Von Michael Köhlmeier hat man in Frankfurt nicht mehr viel gesehen, nachdem er beim Buchpreis leer ausgegangen war. Dabei hätte sein Roman „Abendland“ Autorenpräsenz unbedingt nötig. Gut möglich, dass Köhlmeier seine 15 Minuten Ruhm in Deutschland gehabt hat, nach der Buchmesse aber hierzulande kein Mensch mehr von ihm und seinem nicht ungrandiosen Roman spricht. Diese Verwertungsgesetze, die Reduktion auf Personality gerade bei Buchmessen hat Köhlmeiers Frankfurter Schriftstellerkollege Bodo Kirchhoff in diesen Tagen ordentlich gegeißelt, als er Kritikerschelte betrieb („Volksverdummer, dann noch in Lebensanstellung“) und zum Besten gab: „Ich wünsche mir eine Rückbesinnung auf die Literatur. Warum sollen wir lesen? Diese Frage müsste im Zentrum einer Buchmesse stehen.“

So unsinnig das eine – typisch beleidigter Autor in der Tradition eines Grass oder Walser –, so zutreffend wie blauäugig das andere: Im Mittelpunkt einer Frankfurter Buchmesse steht immer die Messe selbst, sie ist das Kraftzentrum, um das sich die abertausenden Themen gruppieren. Die Aufregung hält sich in diesem Jahr jedoch in Grenzen. Weder Günter Grass sorgt für Gesprächsstoff, nicht einmal mit seiner Klage gegen die aktualisierte Ausgabe von Michael Jürgs’ unautorisierter Biografie, noch ein zweiter Jonathan Littell, dessen Bestseller „Les Bienveillantes“ im Vorjahr die Verlagsgebote in ungeahnte Höhen schnellen ließ. Weder die Bildungsoffensive der Buchmesse macht was her, noch kann Katalonien trotz 130 angereister Autoren dem typischen Gastlandschicksal des Schnellvergessenwerdens etwas entgegensetzen. Auch neue Gerüchte um Suhrkamp sorgen nur kurz für Messeklatsch: Klaus Wowereit soll dem Verlag ein Angebot gemacht haben, nach Berlin zu ziehen. Doch was sagt ein Wowereit nicht alles, wenn er gute Laune hat?

Und die haben viele, in den Hallen, auf den Partys, im Hessischen wie im Frankfurter Hof. Man könnte auch sagen: business as usual. Das begehrteste Buch beim Droemer/Knaur-Empfang war übrigens nicht das von Iny Lorentz, sondern „Das große Sarah-Wiener-Kochbuch“.

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