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Alphamädchen

© Hoffmann und Campe

Gleichberechtigung: "Feminismus ist für Männer erholsam"

… weil sie nicht das testosterontriefende Alphamännchen markieren müssen, sagen die Journalistinnen Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl. In ihrem Buch "Alphamädchen" räumen sie mit so einigen Geschlechterklischees auf. Tagesspiegel.de hat nachgefragt.

Alphamädchen sind in aller Munde. Der Spiegel macht damit eine Titelstory und auch euer Buch heißt so. Wer und was sind diese Alphamädchen?

SUSANNE KLINGNER: Alphamädchen sind alle jungen Frauen, die mitdenken und Ziele haben; die sich für die Welt interessieren und frei und selbstbestimmt leben möchten und auch dafür kämpfen, dass sie das können.

Abtreibung, Pille, Gewalt gegen Frauen, bei vielen Themenkommen Sie auf ähnliche Antworten wie der alte Feminismus. Warum brauchen wir trotzdem einen neuen?

MEREDITH HAAF: Der alte Feminismus muss modernisiert werden, da er nicht nur ein Imageproblem hat, sondern auch viele Ansätze überholt sind. Wir müssen zum Beispiel heute die Männer nicht mehr ausschließen, um uns selbst zu finden. Heute muss Emanzipation gemeinsam mit den Männern passieren. Viele denken, Feministinnen seien spaß-, männer- und lustfeindlich. Aber auch: "Das betrifft mich doch gar nicht mehr, das ist doch was aus der Zeit, in der meine Mutter jung war." Die Themen sind aber nach wie vor relevant. Und da wir 30 Jahre weiter sind, haben sich natürlich auch die Ansprüche und Ideen weiter entwickelt.

Mädchen hängen die Jungs in der Schule ab, Frauen dominieren angeblich die Talk-Kultur, und dann gibt's da noch Angela Merkel. Haben wir nicht längst Gleichberechtigung?

BARBARA STREIDL: Das ist so ein Totschlagargument, "Was wollt ihr denn - Deutschland hat doch eine Bundeskanzlerin." In Ordnung, Frau Merkel regiert unser Land. Und wunderbar, dass es einige erfolgreiche TV-Talkerinnen gibt. Doch nur weil Frauen in der Öffentlichkeit präsent sind, heißt das nicht, dass wir in diesem Land schon Gleichberechtigung haben.

Feminismus macht das Leben schöner, schreiben Sie. Auch für Männer. Wieso denn das?

KLINGNER: Ganz einfach: Mit einer emanzipierten Frau an seiner Seite, wird auch das Leben des Mannes bereichert. Vom Alltag über die Kindererziehung und das Berufsleben bis hin zum Sex wird er ganz neue Möglichkeiten kennenlernen. Hinzu kommt, dass der Feminismus ganz grundsätzlich gegen Geschlechterklischees kämpft - was auch für die Männer sehr erholsam sein dürfte, müssen sie doch nicht mehr immer nur das testosterontriefende Alphamännchen markieren.

In welchen Situationen erfahren Sie persönlich Ungerechtigkeit, weil Sie Frauen sind?

STREIDL: Da gibt es viele Situationen, aber es geht ja nicht um unsere persönlichen Erfahrungen. Wir wollten ja mit dem Buch gerade nicht eigene schlimme Erlebnisse verarbeiten. Der Antrieb war die Erkenntnis, dass einfach jede Frau schon eine oder mehrere Situationen erlebt hat, in der sie übergangen oder angegriffen wurde, sei es verbal, sexuell, karrieretechnisch oder privat - aber aus dem Grund, dass sie eine Frau ist.

Wie sind Sie Feministinnen geworden und was war der Anlass für das Buch?

HAAF: Im Grunde waren wir schon immer Feministinnen, auch wenn wir uns bis vor einigen Jahren noch nicht so genannt haben. Irgendwann wurde uns bewusst, dass ganz viele Frauen die gleichen Probleme haben: Sie werden bei ihrer Karriere übergangen, von Familie und Gesellschaft in die Mutterrolle gedrängt, verdienen weniger als ihre Kollegen, waren schon mal Opfer sexueller Gewalt. Hinzu kam die laute öffentliche Diskussion um die Rolle der Frau, in der unserer Generation vorgehalten wurde, wir seien zu egoistisch und die jungen Frauen sollten gefälligst wieder Kinder kriegen. Und erstaunlicherweise kam von Gleichaltrigen kein öffentlicher Widerspruch. Also mussten wir das tun - mit diesem Buch.

Auf dem Pressefoto trägt Susanne Klingner ein Barbie-T-Shirt. Ausgerechnet die Spielzeugpuppe, die schon kleinen Mädchen ein völlig unrealistisches Schönheitsideal einprägt. Wie geht denn das mit Feminismus zusammen?

KLINGNER: In der Wunderwelt der Ironie ist alles möglich. Barbara hat mit ihrer Band "Die Moulinettes" auch über eine Krankenschwester-Barbie gesungen. Warum auch nicht? Humor ist wichtig, gerade für Feministinnen. Wir würden verzweifeln, könnten wir zwischen den vielen Nachrichten über Ungerechtigkeiten, die Frauen in der ganzen Welt angetan werden, nicht auch mal ausgiebig über uns selbst lachen.

In Ihrem Buch grenzen Sie sich immer wieder von Alice Schwarzer ab. Was haben Sie eigentlich gegen sie?

STREIDL: Wir haben überhaupt nichts gegen Alice Schwarzer. Die Dinge, die sie in den letzten dreißig Jahren zusammen mit anderen Frauen erkämpft hat, sind wertvolle Bestandteile unseres Verständnisses von Feminismus. Wenn wir einige ihrer Positionen kritisieren, dann einfach nur deshalb, weil diese nicht mehr zum Lebensstil unserer Generation passen oder wir ihr nicht zustimmen. Frau Schwarzer ist aus unserer Mütter-Generation. Ganz klar, dass wir an einigen Stellen modernisieren möchten.

Sie sprechen sich für Pornografie aus. Warum?

HAAF: Weil Pornografie an sich für die Sexualität überaus bereichernd sein kann, weil sie offenbar einem menschlichen Bedürfnis entspricht - nämlich sich von Medien erregen zu lassen, bzw. einfach anderen beim Sex zuzuschauen. Unserer Meinung nach können Frauen mit Hilfe von Pornografie mit der eigenen Sexualität viel offensiver und damit positiver umgehen - sofern sie das wollen. Das heißt aber nicht, dass an Pornos alles toll ist. Es gibt gute und schlechte.

Haben nicht Porno-Bilder eine ähnliche Macht, wie Sie sie den Bildern der Schönheitsindustrie durchaus einräumen?

KLINGNER: Ein entscheidender Unterschied ist, dass die Einflüsse der Schönheitsindustrie omnipräsent sind, man sieht ja überall Models, in jeder Frauenzeitschrift geht es andauernd um die weiblichen Makel, aber nicht um Pornos. Der Schönheitsdruck ist kulturell viel stärker verwurzelt als pornografisches Verhalten. Nichtsdestotrotz können Pornos natürlich auch eine schädigende Wirkung auf die Konsumenten haben, wie alle anderen Medien auch. Gerade wenn Jugendliche zu stark mit Pornos sozialisiert werden, kann das deren Vorstellung von Sexualität natürlich grob in die falsche Richtung manipulieren. Das ist allerdings eher ein gesellschaftliches Problem als ein feministisches.

Sie sind alle drei Bloggerinnen und auch sonst im Internet aktiv. Ist das Internet eine besondere Chance für Frauen und wo liegen eventuell Gefahren?

HAAF: Das Internet bietet unendlich viele Möglichkeiten zur Entfaltung und Kommunikation und Vernetzung und ist nicht verteilt, ständig ändert sich etwas im Netz. Aus diesen Gründen bietet es für Frauen an sich und für den Feminismus im Besonderen viele Chancen. Gefahren liegen unter anderem darin, dass Machtverhältnisse und Repräsentationsschemata aus der realen Welt reproduziert werden. Und natürlich auch, dass sich Internetuser sehr aggressiv und sexistisch äußern, wenn ihnen etwas nicht passt. Das kann die eigene Redefreiheit doch stark beschneiden.

Und wie geht es jetzt weiter? Was muss sich ändern? Und wer macht's?

STREIDL: Wer - wenn nicht wir alle. Jede Frau und jeder Mann, denen Gleichberechtigung am Herzen liegt, müssen sich selbst und ihr Umfeld überprüfen. Leider haben wir heute keinen klaren Feind mehr, der ganz allgemein am Unglück der Frauen schuld ist. Vielmehr müssen viele kleine Mechanismen und viele ungerechte Strukturen geknackt werden. Ein guter Anfang wäre zum Beispiel, in die nächste Gehaltsverhandlung mit einer klaren Haltung zu gehen und das Wunschgehalt durchzuboxen. Oder sich mal mit dem Partner hinzusetzen und in Ruhe zu besprechen, warum das einfach nicht geht, dass er weiter seine Karriere verfolgt, sie aber ihre beruflichen Pläne zurückstecken muss, weil beide Kinder bekommen haben. Es gibt also keinen Zehn-Punkte-Plan, sondern von unserer Seite vor allem ein "Na los jetzt!", dass die Emanzipation keine Sache ist, die jetzt erreicht ist und damit gut, sondern um die wir immer wieder und immer wieder neu kämpfen müssen.

Noch eine personalpolitische Frage: Hillary Clinton oder Barack Obama?

HAAF: Man muss als Feministin nicht um jeden Preis eine Frau auf ihrem Weg ins Amt unterstützen. Bei Hillary Clinton scheint der Preis, wenn man ihre Wahlkampftaktiken beobachtet, eindeutig zu hoch. Barack Obama ist mit Sicherheit der sympathischere und glaubwürdigere Kandidat von den beiden. Generell ist natürlich die Tatsache, dass sich die Entscheidung der amerikanischen Wähler gerade zwischen einer Frau und einem Schwarzen abspielt, sehr zu begrüßen. Das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.

Interview: Sylvia Vogt

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