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Jurjews Klassiker: Pudding und Grüne Soße

Oleg Jurjews tafelt mit dem schottischen Barden Robert Burns.

Das dichtungsbegeistertste Volk der Welt sind zweifellos die Schotten. Am 25. Januar jedes Jahres begehen sie den Geburtstag von Robert Burns in großer Runde mit dem immergleichen Ritual: dem sogenannten Burns Supper, das Gedichte und Gerichte in fester Reihenfolge vorsieht. Dieses Jahr dürften die Schotten besonders ausgelassen feiern, denn es handelt sich um einen 250. Geburtstag. Burns hat das Essen der einfachen Leute oft besungen, insbesondere den Star des Burns Supper, den Haggis, den "Häuptling des Pudding-Stammes", wobei unter einem "Pudding" zerkleinerte Innereien zu verstehen sind, gekocht in einem Schafsmagen mit Hafermehl, Zwiebeln und Pfeffer. Dazu gibt's Steckrüben und Kartoffeln. Das Ganze ist die schottische Variante des Pfälzer Saumagens. Vorspeise ist eine Suppe, der Nachtisch - the trifle -, eine Art Biskuittorte. Und natürlich Scotch!

Können wir uns Deutsche vorstellen, die an jedem 28. August Grüne Soße essen, Apfelwein trinken und Goethes Gedichte rezitieren? Russen tun das mit Puschkin auch nicht, der wird sowieso mit keinem Nationalgetränk und -gericht in Verbindung gebracht - eher mit Austern und Champagner.

Der Haggis-Dichter wurde am 25. Januar 1759 in Alloway, Ayrshire, als Sohn eines Bauern geboren. Sieben Geschwister brachten es mit sich, dass oft nicht genug zu essen da war, dafür mehr als genug Maloche für alle. Dazu die Schule: Vater William war wahrscheinlich ein Naturutopist und glaubte, wie später Leo Tolstoi, dass intellektuelle Entwicklung und körperliche Arbeit nicht nur vereinbar, sondern einander förderlich seien. Bestimmt war die Schule im Vergleich zum Stallausmisten wie Ferien, und über die Bibel und die theory of moral sentiments von Adam Smith zu diskutieren, war angenehmer, als bei der Ernte mitzumachen. Bei Dorffeiern hatte sich Robby Burns mit "Auftragsgedichten" ersten Ruhm und erste Groschen verdient.

Der Dichter wollte ein anständiger Landwirt werden

So ging es, bis er 1781 seinen Vater im Streit verließ. Versuche, eine eigene Existenz aufzubauen, scheiterten an seiner mangelnden Geschäftstüchtigkeit. Dafür ging es mit dem Dichten wunderbar. Ein kleiner Gedichtband, der in Edinburgh auf Subskription erschien, brachte 20 Pfund Gewinn. Das war viel Geld, man konnte davon ein Jahre lang leben. John Milton bekam 1667 für sein "Paradise Lost" 10 Pfund, John Keats erhielt 1819 von seinem Verleger 30 Pfund als Vorschuss.

1784 kam Robert Burns nach Edinburgh, wurde von einem Salon zum anderen gereicht und überall gefeiert. Nach einem Jahr kehrte er jedoch ins Hochland zurück. Er schrieb weiter - liedhafte Gedichte im schottischen Dialekt, für die man ihn in Schottland, aber auch in England bewunderte. Auch sie brachten Geld. 1789 pachtete Burns ein Gut und versuchte wieder "ein anständiger Bauer" zu werden, samt seiner frisch vermählten Frau Jean (deren Vater dem berühmten Dichter den Ehewunsch nicht länger abschlagen konnte) und Zwillingen (auch Jean konnte sich dem berühmten Dichter nicht länger widersetzen). Nach dreieinhalb Jahren musste er den Betrieb mit Verlust abgeben (Missernten, Misswirtschaft und - vielleicht die Hauptsache - häufige Besuche der Verehrer seines Talents mit entsprechender Zerstreuung). Einer der adeligen Gönner verhalf ihm zum Posten eines Steueraufsehers, was 70 Pfund Jahreslohn brachte. Burns' Gesundheit wurde immer schwächer, er starb 37-jährig an einer Streptokokken-Infektion. Gibt es eine Lehre aus diesem kurzen, lebenslustigen und todesnahen, feierlichen und traurigen Leben? Wahrscheinlich war Robert Burns nicht Bauer genug, um zu begreifen, dass die Dichtung (für ihn - wir möchten nichts verallgemeinern) ertragreicher war als die Schufterei auf dem Feld und im Stall. Ein richtiger Bauer wäre in Edinburgh geblieben. Weil er ein Dichter war, kehrte Burns zurück zur Landwirtschaft. So oder so. Einen Haggis möchte ich einem unerfahrenen Magen nicht zumuten, aber einen kleinen Scotch im Andenken an dieses ungewöhnliche Dichterwesen könnte man am Abend des 25. Januar doch auf ihn heben. Zusammen mit dem Volk, das seine Dichter am meisten verehrt.

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