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"Keine Supermacht": Schmierer hofft auf ein Ende der Solisten

Joscha Schmierer sucht die nächste Weltmacht: Die Hoffnung, dass Barack Obama mit der Macht seines Landes dazu beiträgt, die Probleme der Erde zu lösen, ist auch ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt noch lebendig.

Von Hans Monath

Auch Joscha Schmierer, der erst unter Joschka Fischer und dann auch noch zwei Jahre unter Frank-Walter Steinmeier im Planungsstab des Auswärtigen Amtes arbeitete, teilt die Erwartung, dass die USA gründlich die Lehren aus der „narzisstischen Illusion“ der Bush-Jahre ziehen. In seinem 100-seitigen Essay kommt der frühere Maoist zu dem Schluss, die USA seien nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion eben nicht mehr die „einzig verbliebene Supermacht“. Tatsächlich könnten auch die Amerikaner in einer globalisierten Wirtschaft und übernationalen Herausforderungen wie dem Klimawandel ihre Stärken nur in einem kooperativen Weltmodell ausspielen, nicht als Solist oder Führer eines Imperiums nach ihren Regeln.

Schmierer hat die amerikanische Fachdebatte über Außenpolitik und die Rolle der USA genau studiert, die Prediger des rücksichtslosen Unilateralismus genau so wie ihm verwandtere Geister. Der US-Analytiker Richard Haas etwa sieht nach der Bipolarität des Kalten Krieges viele andere gestärkte Akteure und eine Machtdiffusion („non-polarity“), die große Anforderungen an die Außenpolitik der USA stellt. Für Schmierer sind die UN und ihre Organisationen in einer unübersichtlichen Welt trotz ihrer Defizite unersetzbar. Allerdings fehle bisher eine „Initiative führender Mächte, dauerhaft und von Rückschlägen unbeirrt eine international, konzertierte globale Ordnungsmacht herauszubilden und sie im Sicherheitsrat der UNO zu etablieren.“

Wer sich an den gescheiterten Versuch von fünf Nationen, darunter Deutschlands, erinnert, den Sicherheitsrat zu reformieren, ahnt, wie schwierig ein solches Vorhaben würde. Aber damals waren die USA eher erpicht, der Regierung Schröder keinen Erfolg zu gönnen. Schmierer interessiert besonders, was die EU beitragen kann, um eine „Politik globaler Integration“ zu fördern. Die EU sei keine Supermacht und werde keine werden, allein schon deshalb nicht, weil sie ihre Stärken nicht in der gleichen Weise bündeln könne wie ein Staat. Schmierers Meinung nach muss aber sie gar nicht mit einer Stimme sprechen und ihre nationalen Kulturen verleugnen. Sie brauche aber eine gemeinsame Melodie, um ihren Beitrag zur Ordnung der Welt zu leisten. Kühl analysiert der Autor, welche Wendepunkte die gegenwärtige Weltlage geschaffen haben. Sein Ausblick bleibt optimistisch: „Wir sollten mit einem langen einundzwanzigsten Jahrhundert rechnen, einem gefährdeten, aber Erfolg verheißenden Jahrhundert globaler Integration.“

– Joscha Schmierer: Keine Supermacht, nirgends. Den Westen neu erfinden. Wagenbach, Berlin 2009, 109 Seiten, 9,90 Euro.

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