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Goethes Liebe?

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Literaturwissenschaft: Briefe sollen Goethes geheime Liebe belegen

Der Schriftsteller Ettore Ghibellino will neue Belege für seine umstrittene Goethe-These vorlegen. Entgegen vieler Wissenschaftler vertritt er die Meinung, dass Goethes Liebe Anna Amalia galt. Goethe-Experten werfen ihm unseriöse Arbeit vor.

Goethe werden pikante Liebschaften angedichtet, selbst homosexuelle Neigungen wurden ihm schon nachgesagt. Einen Monat vor seinem 259. Geburtstag ist das Liebesleben des Dichterfürsten wieder ein Thema. Es geht um die angebliche heimliche Liaison des jungen Goethe zu der zehn Jahre älteren Weimarer Herzoginwitwe Anna Amalia (1739-1807). Da eine Affäre mit der Mutter des regierenden Herzogs staatsgefährdend gewesen sei, hätte sie geheimbleiben müssen, lautet die These des in Weimar lebenden Juristen und Schriftstellers Ettore Ghibellino. Diese These war bereits in seinem 2003 erschienenen Buch "J. W. Goethe und Anna Amalia - Eine verbotene Liebe" zu finden.  Damals  hatte es heftigen Widerstand von Goethe-Forschern gegeben. Am Freitag will er zusammen mit Mitstreitern der von ihm gegründeten "Anna Amalia und Goethe Akademie" im Goethe-Institut Weimar Briefe als neuen Beleg vorlegen.

Nicht der geistvollen Charlotte von Stein (1742-1827), die bisher als die platonische Liebe des jungen Dichters galt, waren demnach all die Liebesbriefe, Billetts und Zettelchen von Goethes Hand in den Jahren 1776 bis 1789 gewidmet. Die Hofdame Anna Amalias hätte nur als eingeweihte und diskrete Überbringerin der Botschaften an Anna Amalia fungiert, ist die zentrale Botschaft Ghibellinos. Rund 1600 Gruß- und Dankeszettelchen, Reiseberichte und sehnsüchtige Liebesbotschaften Goethes bewahrt das Goethe- und Schiller-Archiv auf. Darunter finden sich auch so schwärmerische Zeilen wie "dich Engel des Himmels" und "einzige unter den Weibern". Wissenschaftlich belegt ist einzig, dass Charlotte von Stein ihre Briefe von Goethe zurückgefordert und vernichtet hat.

"In der Fachwelt hat sein Buch keine Unterstützung gefunden"

Die Klassik Stiftung Weimar als Hüterin des klassischen Erbes reagiert verschnupft auf die Anna-Amalia-These, die auch in der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" eine Rolle spielt. Die Stiftung spricht von einer "Weimar-Legende". Auf mehr als 360 Seiten variiere der Autor seine Ausgangshypothese unzählige Male und gebe vor, sie mit "zeitgenössischen Quellen" zu untermauern, sagt eine Wissenschaftlerin des Goethe- und Schiller-Archivs. Ghibellino suche auch in den Tagebüchern und Werken wie "Torquato Tasso" und "Wilhelm Meister" nach verschlüsselten Botschaften. Nicht zur Hypothese passende Zeugnisse und Forschungsergebnisse sowie Teile der Biografien der angeblich Liebenden würden ausgeblendet. "In der Fachwelt hat sein Buch jedoch weder Interesse noch Unterstützung gefunden."

Das Literaturarchiv bescheinigt Ghibellino eine äußerst geschickte Vermarktung der Person Goethes, "dabei auch voyeuristische Bedürfnisse des Publikums bedienend". Auch die Düsseldorfer Goethe- Expertin Heike Spies nennt die Veröffentlichungen des Goethe- Biografen unseriös. "Wir setzen uns mit dieser These Ghibellinos schon seit einigen Jahren auseinander", sagt die stellvertretende Direktorin des Goethe-Museums. Er "arbeitet mit Halbwissen und Halbwahrheiten. "Nach allem was wir wissen, war Anna Amalia kein Mensch, von dem sich Goethe angezogen gefühlt hätte." Für die Forschung gebe es weitaus wichtigere Themen. "Wenn man etwa behauptet, Goethe habe den "Faust" nicht geschrieben, davon geriete die Welt ins Wanken." (dw/dpa)

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