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Mafia: Schluss mit Schutzgeld

Von San Luca nach Duisburg: Petra Reskis Reportagen aus der Heimat der Mafia sind genau und informativ. Das Buch ist ein eindrucksvolles Mosaik aus zahllosen Details.

Wie brutal, wie menschenverachtend und mächtig die Mafia sein kann, das ist den Deutschen jüngst zweimal vor Augen geführt worden: Beim Massaker, das die kalabrische 'Ndrangheta im August 2007 vor der Duisburger Pizzeria "Da Bruno" verübte, und in dem Buch-Film-Doppelschlag "Gomorrha" (Hanser Verlag), in dem der junge Neapolitaner Roberto Saviano die kampanische Camorra beschreibt. Dass der von Saviano am schärfsten verdammte Camorra-Clan den Erfolgsautor bis Weihnachten umbringen will - diese Nachricht aus den vergangenen Tagen ist nur die gruselige Bestätigung dafür, dass "Gomorrha" lebt.

Nun hat auch die in Venedig lebende deutsche Journalistin Petra Reski ein Buch über die italienische Mafia vorgelegt. Es dürfte, wie "Gomorrha" auf seine Weise, das genaueste und informativste Werk sein, das derzeit zu diesem Thema auf dem deutschen Markt ist. Reski schreibt, mit lockerer Hand, eine Art Reisereportage. Sie trifft einen Mafia-Aussteiger am schäbigen Stadtrand von Rom, blickt von unbezahlbaren Dachterrassen hinab auf das von der "Cosa Nostra" beherrschte Palermo und läuft in der - seit Duisburg berühmten - 'Ndrangheta- Hochburg San Luca unversehens einem von der Polizei gesuchten Boss über den Weg. Reskis Abstecher nach Neapel hingegen - er liest sich eher wie eine der Vollständigkeit halber angeklebte Episode. Geschenkt.

Ein eindrucksvolles Mosaik

Reski schöpft aus einem überreichen, in fast zwei journalistischen Jahrzehnten angefüllten Fundus von Begegnungen und Ereignissen; sie fügt zahllose Details zusammen zu einem eindrucksvollen Mosaik. Neben den Mafia-Männern, den blutrünstigen der alten und den Dandys der neuen Generation, kommen bei Reski ausführlich die Frauen vor: Sie bilden das logistische Rückgrat der Mafia, sie halten den Betrieb aufrecht, wenn die Männer im Knast sitzen; sie setzen die Einhaltung der traditionellen "Werte" und des dazugehörigen "Ehrenkodex" durch - der Blutrache beispielsweise, nicht nur in San Luca.

Reski erwähnt natürlich auch die Verstrickungen zwischen Politik und Mafia. Aber gerade hier zeigt sich eine ihrer Schwächen: Sie arbeitet sich, wie so viele, praktisch nur an Silvio Berlusconi und seinem gerichtlich verurteilten sizilianischen Intimus Marcello Dell'Utri ab. Gewiss, Berlusconi ist immer ein lohnendes Objekt; aufschlussreicher für das Verständnis des mafiös durchdrungenen Alltags in Süditalien wäre es gewesen, Reski hätte sich von Unternehmern schildern lassen, warum sie sich bei der Mafia sicherer fühlen als bei der Polizei, oder sie hätte einen Blick in die Entscheidungsstrukturen kalabrischer Gemeinden geworfen, von denen zahlreiche wegen Mafia-Verstrickungen aufgelöst werden: Wie funktioniert "Mafia" abseits der Schlagzeilen? Das genau wäre die entscheidende Frage. Ihr entlang ließe sich auch erklären, warum das System selbst dann weiterlebt, wenn alle Bosse verhaftet sind.

Leider kommt auch, so aktuell sich das Buch sonst liest, die bürgerliche Gegenbewegung gegen die Mafia zu kurz. In Palermo drängt eine Studentenorganisation namens "Addiopizzo" die Geschäftsleute mit Erfolg zum Aufstand gegen das "Schutzgeld"; Siziliens Industrieverband schließt Firmen aus, die Schutzgeld zahlen oder sich auf andere Weise mit der Mafia einlassen. Das mag noch wenig sein, aber im Ansatz ist es revolutionär - und es hätte in 335 Textseiten mehr verdient als einen einzigen Absatz.

Petra Reski: Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern. Verlag Droemer, München 2008. 335 Seiten, 19,95 Euro

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