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Politische Literatur: Alarmstufe Grün

Mit Solarzellen gegen Al Qaida: Thomas L. Friedman hat eine Agenda für Barack Obama geschrieben.

Bei seinen Streifzügen durch die globalisierte Welt hat Thomas L. Friedman einen neuen Typ von Strategen entdeckt: Grüne Falken. Sie hält der US-Journalist für eine der Kräfte, die im „Zeitalter der Energie und des Klimas“, wie er das 21. Jahrhundert betitelt, aufkommen. Denn immer mehr Menschen und Gruppen erkennen, dass „grün“ nicht nur für eine Strategie der Erzeugung sauberen Stroms, des effizienten Umgangs mit Energie und des Umweltschutzes steht. „Grün“ ist auch das Symbol für eine allgemeine Gewinnstrategie. So werden die Menschen in den kommenden Jahren entdecken, dass sie durch ökologisches Vorgehen ihre Wettbewerber auf den Märkten, im Architekturbüro oder im Kampf gegen die Armut überbieten können.

Dass sogar eine militärische Strategie „grün“ sein kann, wurde Friedman klar, als er von den „grünen Falken“ innerhalb des amerikanischen Militärs erfuhr. Diese informelle Gruppe gleichgesinnter Offiziere entstand 2006: Major General Richard C. Zilmer, General der Marines in der irakischen Provinz Anbar, beklagte sich beim Pentagon, er benötige eine Alternative zum Dieselkraftstoff für die Versorgung seiner Außenposten an der syrischen Grenze. Die Konvois mit dem Treibstoff waren beliebte Ziele für Angriffe irakischer Aufständischer.

Zu dieser Zeit arbeitete das Pentagon bereits mit dem Rocky Mountain Institute zusammen, um Möglichkeiten eines effizienteren Energieeinsatzes zu erkunden. Angesichts der Forderung aus dem Kriegsgebiet erhöhte sich für das US-Militär die Dringlichkeit der Aufgabe, die Nachschublinien für die Energieversorgung zu verkürzen, indem man auf erneuerbare Energiequellen zurückgriff. So begann der erste umfassende Versuch der US-Streitkräfte, Al Qaida durch eine grüne Strategie auszubooten. Der Terrororganisation soll der Vorteil genommen werden, den bisher eine dezentral organisierte, mit wenig Energie auskommende Guerillatruppe im Kampf gegen eine zentralisierte, viel Energie verbrauchende, konventionelle Armee besaß.

Inzwischen hat das Pentagon Dämmschaum zur besseren Isolierung Tausender von Zelten und Wohncontainern gekauft. Die Verringerung des Klimatisierungsbedarfs führt zu so hohen Einsparungen bei den Kraftstoffkosten, dass sich bereits eine fortgeschrittene Version in Erprobung befindet: Ein kuppelförmiger provisorischer Bau wird außen mit Dämmschaum isoliert und innen mit einer dünnen Schicht Beton überzogen. Hierin können mit vierzig Mann vier Mal so viele Soldaten schlafen wie in herkömmlichen Zelten; wegen des Betons bietet die Kuppel größeren Schutz vor Beschuss. Zwei mobile Windkraftanlagen und zwei Solarmodule sowie ein mit Propangas betriebenes Notstromaggregat erzeugen nicht nur genügend Strom für die Klimatisierung und den sonstigen Bedarf des Zeltes. Überschüsse können auch an die einheimische Bevölkerung in nahegelegenen Dörfern abgegeben werden. Das System soll im Irak und in Afghanistan zum Einsatz kommen – „grünes“ Nation Building.

Mit Beispielen wie diesem veranschaulicht Friedman, wie die Welt des 21. Jahrhunderts in seinen Augen aussehen könnte. Zwar eilt auch sein neues Buch wie der Weltbestseller „Die Welt ist flach“ von Anekdote zu Anekdote, was den Text an einigen Stellen allzu deskriptiv erscheinen lässt. Aber innerhalb der einzelnen Kapitel verdichtet der dreifache Pulitzerpreisträger seine gesammelten Beobachtungen dann doch immer wieder zu erhellenden Analysen. So könnten die amerikanischen Soldaten, die „grüne“ Strategien aus dem Irak kennen, in ihre Heimat zurückkehren und ähnliche Lösungen in ihrer Gemeinde oder am Arbeitsplatz fordern. Erst wird die Armee „grün“, dann das ganze Land.

Friedman plädiert für ein Projekt Code Green („Warnstufe Grün“) – mit der Bedeutung, die im Amerika der fünfziger und sechziger Jahre „Rot“ besaß: ein Symbol für die kommunistische Bedrohung, das die USA dazu bewegen sollte, ihre militärische Schlagkraft, ihre industrielle Basis, ihr Bildungssystem und ihre wissenschaftlichen Kapazitäten auszubauen, um die Welt bei der Verteidigung der Freiheit anzuführen; diese Bedeutung soll nach der Betrachtung des „New York Times“- Kolumnisten „Grün“ übernehmen – getreu dem Motto aus Texas: „Wenn du nicht mehr tust, als du immer schon getan hast, wirst du auch nicht mehr bekommen, als du immer schon bekommen hast.“ Wird Barack Obama ein „grüner“ Texaner?

– Thomas L. Friedman: Was zu tun ist. Eine Agenda für das 21. Jahrhundert.

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 543 Seiten, 24,80 Euro.

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