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Für Henry Kissinger war Macht "ein Aphrodisiakum".

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Politische Literatur: Was ist Macht, und woher kommt sie?

Peter Cornelius Mayer-Taschs Einführung "Kleine Philosophie der Macht" hilft bei diesen Fragen nur bedingt weiter.

Wahrscheinlich bereut Horst Seehofer es heute, den Satz jemals gesagt zu haben. Zu wahr, zu entlarvend sind die drei Wörtchen. Beinhalten sie doch das ganze Drama seines sich schon lange abzeichnenden und doch nur so schwer eingestandenen Scheiterns. „Macht ist Sucht“, hatte der Noch-CSU-Vorsitzende und Noch-Bundesinnenminister einmal gestanden.

Peter Cornelius Mayer-Tasch, Professor für Politikwissenschaft und Rechtstheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat den Satz aufgehoben und in seiner „Kleinen Philosophie der Macht“ neben anderen berühmten Definitionen wie „Macht ist Hunger“ (Hobbes) und „Macht ist ein Aphrodisiakum“ (Kissinger) verewigt. Ziel des schmalen Bandes ist es, „mit leichter Hand einen Erkenntnisbogen über den Gesamtbereich zu schlagen“.

Beim Lesen stellt sich Phantomschmerz ein

Das wäre zweifellos verdienstvoll – doch schnell zeigt sich, dass das kein gar so einfaches Ansinnen ist. Zu viel ist über das Thema geschrieben worden, nicht nur von Hobbes und Kissinger, sondern auch von Machiavelli, von Darwin oder Max Weber, als dass sich bei der Lektüre der knappen linguistischen Herleitung des Begriffs – „Macht“ kommt von „machen“ – oder der skizzierten Beobachtung, dass Ross und Schwert von der Geldbörse abgelöst wurden, nicht Phantomschmerzen einstellen würden.

Tiefgehende Analyse ist rar. Stattdessen verpackt der Autor Banalitäten in bis zu 95 (fünfundneunzig!) Wörter lange Schachtelsätze: Politiker müssen die Leute, von denen sie gewählt werden wollen, erst einmal von sich überzeugen? Ein noch so wohlgebahnter Weg führt ins Nichts, wenn „die dem Aufstiegswilligen eigenen Geistesgaben und Charaktereigenschaften“ nicht ausreichen? „Ein gepflegtes Äußeres wird einem Karriereweg stets förderlich sein“? Wer hätte das gedacht!

Die Gewichtung irritiert

Irritierend auch die Gewichtung. Der Frage, welchen Einfluss Astrologen und Hellseher auf Politiker hatten und haben, wird mehr Platz eingeräumt als der, welche Rolle die sozialen Netzwerke für den Arabischen Frühling spielten.

Andere spannende Überlegungen wie die, ob die chinesische Staatspartei mit der Gewährung von mehr Freiheitsrechten ihre Macht eher stärken oder unterminieren würde, werden nicht einmal explizit gestellt, sondern in einer so allgemeinen Form abgebügelt, dass der Autor sie gar nicht erst hätte anstellen müssen.

Zum Nachdenken führt einen das Buch dennoch. Zum Beispiel darüber, wie viel Macht eigentlich ein Lektor hat, wenn er nicht verhindern kann, dass der von ihm betreute Autor seinem Leser unentwegt Phrasen wie „Alle Wege führen nach Rom“ oder „Nichts Neues unter der Sonne“ andient.

Aber gut, auch der Leser verfügt über Macht. Die Macht, bei Interesse an dem wichtigen Thema zu einem ausführlicheren Werk zu greifen.

Schmaler Band, lange Sätze. Manche zählen sagenhafte 95 Wörter.
Schmaler Band, lange Sätze. Manche zählen sagenhafte 95 Wörter.

© promo

Peter Cornelius Mayer-Tasch: Kleine Philosophie der Macht. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018. 130 Seiten mit 11 Abbildungen, 19,90 €.

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