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Konstantin Richter

© Tsp/promo

Roman: Gas und Gabler

Hauptsache fehlerfreies Englisch: Konstantin Richters Roman „Bettermann“ handelt von einem Anwalt, der nicht ins Büro geht.

Für einen Wirtschaftsjournalisten neuer Prägung, etwa den Mitarbeiter einer internationalen Finanznachrichtenagentur, ist das keine Geschichte, über die es sich zu schreiben lohnt: ein Anwalt, der nicht ins Büro geht. Ein „old boy“, der die Entwicklung auf dem deutschen Rechtsmarkt verschlafen hat und lieber an der Elbe hin und her wandert.

Für einen Schriftsteller aber kann so ein Anwalt von gestern eine Geschichte wert sein – erst recht, wenn er wie der 1971 in Berlin geborene Konstantin Richter vorher als Reporter für englischsprachige Wirtschaftsblätter tätig war, laut Klappentext für so schillernde wie die „Cambodia Daily“ in Phnom Penh oder so gediegene wie das „Wall Street Journal“ in Brüssel.

Bettermann heißt der Anwalt in Richters gleichnamigem Debütroman: Henrik Bettermann, wohnhaft in Hamburg-Blankenese, Inhaber einer Kanzlei mit 140 Anwälten und einem Jahresumsatz von 60 Millionen Euro, die Nummer 15 in Deutschland. Dieser Bettermann ist Dreh- und Angelpunkt von Richters Roman, der erzählt, wie der 30-jährige Literaturwissenschaftler Alex Oswald als Journalist in der Finanzwelt landet. Er schreibt für die Frankfurter Dependance einer New Yorker Nachrichtenagentur über Energieversorger, Maschinenbauer und Medienhäuser und spricht locker-flockige Sätze wie „Logisch, dass sich Linde langfristig aufs Gasgeschäft konzentriert und die Gabelstapler verkauft“.

Eines Tages bekommt Oswald den heißen Tipp, dass sich eine größere Fusion auf dem deutschen Rechtsmarkt anbahnt: Bettermann und Partner, so heißt es, seien in Verhandlungen mit einer Londoner Kanzlei, um so vielleicht doch noch den „Schritt zum internationalen Player“ zu wagen, wie ein Branchenblatt orakelt. Der Clou für Oswald an der Geschichte ist: Er kennt Bettermann und dessen Kinder Oliver und Anna, hat aber nicht die besten Erinnerungen an diese Bekanntschaft. Die Fusionsgeschichte, der er nun auf der Spur ist, scheint dadurch jedoch leicht zu recherchieren zu sein und ihn auf der Karriereleiter nach oben zu bringen.

Das Feine an diesem Roman ist, wie Richter die Börsen- und Finanzwelt, in der sich Oswald und seine drei jungen Kollegen beim „Roebuck News Service“ bewegen, mit der Entwicklung eines jungen Mannes verknüpft, der mit seinen Eltern von Berlin-Schöneberg nach Hamburg-Blankenese ziehen muss, Anglistik und Germanistik in München studiert und sich zumeist fehl am Platz fühlt.

„Bettermann“ führt in eine Welt, in der Zahlen, Fakten und Gerüchte regieren, in der es immer um die gleichen vier Dinge geht: „Umsatz, Aufwendungen, Abschreibungen und Gewinn“, wie ein Kollege von Oswald weiß, und deren oberstes Gebot es ist, ihre Sprache zu beherrschen, „ein fehlerfreies Englisch“. Wobei im Übrigen auch Richters Sprache eine schlackerhaft-schnörkellose, gut lesbare ist, vom übermäßigen Gebrauch des unsäglichen Wörtchens „schmunzeln“ abgesehen.

Und „Bettermann“ stellt die Gegenwelt vor: die des soignierten Hamburger Bildungsbürgertums, in der Tradition und Kultur regieren und in der der junge Alex zu reüssieren versucht, indem er stotternd von Adalbert Stifters Bildungsroman „Nachsommer“ schwärmt: „Weil es keine andere Gattung gibt, die so gut beschreibt, was das Wichtigste ist. Das Menschlichwerden, meine ich ...“

So prallt hier alles aufeinander: die Ökonomie, die einen Kulturwandel durchmacht, und die Kultur, die sich zu ökonomisieren versucht, und mittendrin die heutzutage Dreißig- bis Vierzigjährigen: eine Generation, die zwar klassisch ausgebildet wurde, sich aber auf einem Arbeitsmarkt wiederfindet, der dafür gar keine Verwendung hat und ganz andere Anforderungen stellt. Neben Alex haben auch die Bettermann-Kinder etwas Prototypisches. Oliver ist eine Art Kippenberger der nuller Jahre, seinem bildungsbeflissenen Vater zum Hohn, ohne aber selbst zu wissen warum: „Wer macht sich hier über wen lustig? Und wer lacht zuletzt?“, fragt sich Oswald. Und Anna werkelt nach einem abgebrochenen Kunstgeschichtsstudium als Landschaftsarchitektin in einem „Umsonstladen“ in Berlin-Mitte vor sich hin, nimmt „probeweise“ an Wettbewerben teil und spricht für den vergrübelten Oswald viel zu selbstverständlich vom „postindustriellen Zeitalter“.

Am Ende arbeitet sich Richter etwas zu sehr an der Coming-of-Age-Geschichte seines Heldens mit all den privaten Verwicklungen ab. Die Bettermann-Finanzstory ist auf einmal schnell und folgenlos aufgelöst. Man hätte da gern noch mehr aus der sogenannten No-Nonsense-Welt gelesen, der Welt der Analysten und der Bilanzpressekonferenzen, eine Art Wirtschaftskrimi mit literarischem Gehalt vielleicht. Nur taugt diese Welt vermutlich nur bedingt zur Literarisierung. Trotzdem erinnert „Bettermann“ aufs Beste daran, dass es auch noch deutschsprachige Gegenwartsromane gibt, die sich tatsächlich für die Gegenwart interessieren.

Konstantin Richter: Bettermann. Roman. Verlag Kein & Aber, Zürich 2007, 238 Seiten, 17, 90 €. Am Mittwoch, 21.11., 20 Uhr, Lesung und Buchvorstellung, Clärchens Ballhaus, Auguststraße 24.

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