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Roman: Tagebuch eines Hipsters

Der Autor Andreas Bernard erzählt in seinem Debütroman „Vorn“ aus dem Leben einer Magazin-Redaktion.

Der Titel ist Programm: „Vorn“. Ein Magazin, das so heißt, will zur Avantgarde gehören, „zeitgemäß“ sein, eine Instanz in Fragen der Pop-, Mode- und Ausgehkultur. Im Kleinen das Große zu entdecken, das ist die journalistisch Kunst. „Im Vorn ging es tatsächlich um das alltägliche Leben der Redakteure und ihrer Leser“, schreibt Andreas Bernard in seinem gleichnamigen Debütroman.

Geschichten aus dem Alltag, das sind Texte über Jubelposen auf Fußballplätzen oder das Verschwinden des Flipperautomaten aus Gaststätten. Geschrieben sind sie meist in Ich-Form. „Tobias war verblüfft, wie viel in diesem Heft von seinen eigenen Erlebnissen steckte.“ Ein staunender Erzähler ist keine schlechte Ausgangsfigur für einen Entwicklungsroman. Dieser Tobias Lehnert verwandelt sich vom hängen gebliebenen Studenten zum Magazinschreiber und Hipster, der seine Anzüge im Helmut-Lang-Laden kauft. Wer nach vorn will, darf nicht zurückschauen. Ein Zwiespalt, der Tobias’ Leben aus dem Lot bringen wird.

Bernard hat offenkundig seine Erfahrungen als Mitarbeiter des „Jetzt“-Magazins verarbeitet. Die Jugendbeilage der „Süddeutschen Zeitung“ hatte eine neue, forschere Form des Realismus in den Journalismus gebracht. 2002 wurde sie eingestellt. So unternimmt „Vorn“ einen Ausflug in die neunziger Jahre, und schön ist, wie Bernard die Rituale in der legendären Münchner Bar Schumann’s beschreibt. Die Laufkunden werden von den Kellnern angeblafft, für die „Vorn“-Clique aber steht immer ein Tisch bereit. Ein erwachsenes, arriviertes Leben, das Tobias gefällt. Bloß seine Freundin Emily mag dieses Umfeld nicht. In der zweiten Hälfte werden die Trennung von Emily, sein Liebeskummer und der Beginn einer Depression etwas zu stark ausgewalzt. Schnitte hätten dem Drama gut getan. Besser funktioniert „Vorn“ als Erinnerungsspeicher, als Buch, das die Begriffe und Bilder einer gerade verstrichenen Gegenwart aufleuchten lässt.

Andreas Bernard: Vorn. Roman.

Aufbau Verlag,

Berlin 2010.

249 Seiten, 16,95 €

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