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Schreibwaren: Sex, Lügen und Dossiers

Steffen Richter über literarische Spionageabwehr, das Verhältnis der Akademie der Künste zur Stasi und einen langjährigen FBI-Chef.

Was macht Geheimdienste für Schriftsteller eigentlich so anziehend? Allein die Action-Folklore mit toten Briefkästen, langen Ledermänteln und dunklen Sonnenbrillen kann es kaum sein. Wichtiger ist wohl die Vorstellung, dass beim Geheimdienst Herrschaftswissen zirkuliert. Was sogar stimmen mag.

Zumindest der Fall des John Edgar Hoover muss einen Schriftsteller reizen. Hoover war fast ein halbes Jahrhundert Chef des FBI, also der amerikanischen Bundespolizei, die sich um die Bekämpfung von jeder Art Kriminalität kümmert, aber auch für Spionageabwehr verantwortlich ist. Zwischen 1924 und 1972, während der Amtszeit von acht (!) US-Präsidenten, leitete Hoover die Behörde. Er war federführender Kommunistenjäger nach dem Ersten Weltkrieg, dann in den Jahren der McCarthy-Ära. Er hat das amerikanische Desaster in der kubanischen Schweinebucht und die Hinrichtung der Rosenbergs begleitet. Vor allem aber hat er etliche chiffrierte Dossiers angelegt, in denen private Fehltritte und die Verbindungen der wichtigsten Männer im Staate zur Unterwelt verzeichnet waren – etwa die sexuellen Eskapaden und möglichen Mafiakontakte John F. Kennedys. Der Mann wusste alles und war unantastbar. Scheinbar zumindest. Denn derselbe Hoover, der die sexuellen Vorlieben anderer ausspionierte und ihnen daraus einen Strick drehte, machte aus der eigenen Homosexualität ein Geheimnis. Mag sein, dass die Mafia ihn ihrerseits erpresst hat – was seine recht sanfte Politik gegen das organisierte Verbrechen erklären würde. Hoovers Lebenspartner war gleichzeitig sein Stellvertreter beim FBI: Clyde Tolson. Truman Capote nannte die beiden nur „Jonny and Clyde“. Die Perspektive Tolsons hat sich der französische Schriftsteller Marc Dugain zu eigen gemacht, um „Der Fluch des Edgar Hoover“ (Frankfurter Verlagsanstalt) zu erzählen. Weil Hoovers brisante Akten vernichtet wurden, sind der literarischen Fantasie Tür und Tor geöffnet. Wie das klingt, kann man heute (19 Uhr 30) am Institut Français hören (Kurfürstendamm 211, Charlottenburg).

In der DDR gab es – im Unterschied zum demokratischen Westen – eine gewisse Affinität von Intellektuellen zum Geheimdienst. Am Anfang stand die Loyalitätsfalle: Ein aufrechter Antifaschist musste eben auch die Staatssicherheit unterstützen. Wie sich das Verhältnis zwischen der ostdeutschen Akademie der Künste und der Stasi von 1950–1993 gestaltete, hat der Literaturhistoriker Matthias Braun in „Kulturinsel und Machtinstrument“ (Vandenhoeck & Ruprecht) untersucht. Am 29.10. (19 Uhr) beugen sich Braun, Akademiepräsident Klaus Staeck sowie Egon Bahr und Wolfgang Kohlhaase über die Vergangenheit der Institution (Pariser Platz 4, Mitte).

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