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''Schwarze Pyramiden, rote Sklaven'': Workuta

In der Sowjetunion gab es immer wieder Massenaufstände gegen die kommunistischen Herrscher. Ein exzellentes Buch über den Aufstand in Workuta 1953 präsentieren der Historiker Wladislaw Hedeler und der Zeitzeuge Horst Hennig.

In der Sowjetunion gab es 476 Lagergebiete. Zu den bekanntesten zählte Workuta. In unwirtlicher Gegend mussten allein hier zehntausende Häftlinge aus politischen und ideologischen Gründen Zwangsarbeit verrichten. Es gab kein systematisches Massentöten, aber das Wegsperren von Millionen hatte auch zum Ziel, einen „gesunden Volkskörper“ zu schaffen. Hunderttausende Tote – Tod durch Arbeit, durch Kälte, durch Unterernährung, auch durch Willkür, Folter und Hinrichtung – folgten dem mörderischen Prinzip einer Utopie, die an Reißbrettern entworfen mit jenem Blutzoll durch rote Verbrecher und Massenmörder zur Realität werden sollte, die jeder utopischen Suche nach dem „neuen Menschen“ zwangsläufig folgt.

Nicht nur in den osteuropäischen Satellitenstaaten, auch in der Sowjetunion selbst gab es immer wieder Massenaufstände gegen die kommunistischen Herrscher. Viele davon sind nur Spezialisten bekannt. Zu den bekannteren gehört aber gerade jener Aufstand in Workuta Ende Juli/Anfang August 1953. Nicht nur, dass er in der Sowjetunion stattfand, er fand sogar dort statt, wo sich die Herrschaft am unverblümtesten zeigte: in einem Zwangsarbeitslager.

Die Initialzündung für den Aufstand besorgten drei Funken: Zunächst starb im März 1953 „Gottvater“ Stalin, dann brach der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 aus, und schließlich wurde Ende Juni Berija, der wie kein anderer für den kommunistischen Terror stand, verhaftet und später erschossen. Diese drei Ereignisse erreichten auch die internationale Häftlingsgesellschaft in Workuta. Ende Juli brachen Massenstreiks aus. Der Aufstand kostete 53 Häftlingen das Leben, es gab 123 Verletzte.

Das Buch des Historikers Wladislaw Hedeler und des Zeitzeugen Horst Hennig ist ein Ereignis ersten Ranges. Erstmals wird der Aufstand Tag für Tag rekonstruiert. Zeitzeugenberichte machen die Vorgänge plastisch, Dokumente zeigen die Reaktionen des Repressionsapparates. Die wenigen Fotos illustrieren nicht, sondern lassen mitfühlen. Die Fakten sprechen eine so klare Sprache, dass jede pädagogische Ambition ohnehin an der historischen Realität zerbrechen müsste. Wer die Botschaft dieses Buches nicht versteht, dem ist auch mit „Argumentationshilfen“ nicht mehr zu helfen. Ilko-Sascha Kowalczuk

Wladislaw Hedeler, Horst Hennig (Hg.): Schwarze Pyramiden, rote Sklaven. Der Streik in Workuta im Sommer 1953. Eine dokumentierte Chronik. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2007. 287 S., 32 €.

Ilko-Sascha Kowalczuk

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