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Umberto Eco: Bücher sind unsterblich

Umberto Eco über die Kunst des Bücherliebens: Von dem italienischen Erfolgsschriftsteller und Universalgelehrten ist bekannt, dass Bücher sein Leben sind, er nicht nur ein Mann aus Wörtern, sondern aus Büchern ist.

30 000 sollen in seiner Mailänder Wohnung stehen, 10 000 in seinem Landhaus, und noch einmal über 5000 Bücher in seiner Zweitwohnung in Bologna. Genauso wichtig wie der Inhalt der Bücher sind Eco ihre Form und ihre Ausstattung, ihr typografischer Satz und ihr Papier. Und auch ihr Alter, ihre Gebrauchsspuren, ihre Geschichte. Umberto Ecos größtes Erlebnis: „Das geistige Abenteuer desjenigen nachzuerleben, der es mit seinem handschriftlichen Zeugnis signiert hat.“

Ecos Buch „Die Kunst des Bücherliebens“ versammelt Aufsätze aus den letzten zwanzig Jahren. Darin erzählt Eco von seltenen Büchern, die ihm wichtig waren. Und er erklärt Formen und Abarten der Bibliophilie wie die Bibliomanie und Bibliokleptomanie, aber auch den Biblioklasmus, die Bücherzerstörung: ihres Inhalts wegen, wie bei der Bücherverbrennung der Nazis. Die Zerstörung durch unsachgemäße Aufbewahrung in Bibliotheken, aufgrund von Geldmangel. Und jene aus Geldgier, von der Sammler ein Lied zu singen wissen. Einzelne Seiten illustrierter Bände werden herausgetrennt und verkauft oder versteigert, um so ihren Wert und den der Bücher, denen sie entstammen, in die Höhe zu treiben.

Eco verhehlt nicht, zuweilen selbst zu den literarischen Narren zu gehören, denen der dritte Teil seines Buches gewidmet ist. Nachdem er den Kuriositätenkatalog eines Pariser Buchhändlers rezensiert hatte, wollte er sofort danach die Ausgabe eines Buches aus dem 1. Weltkrieg erwerben. Darin rechnete ein französischer Autor aus, dass der Fäkalienausstoß eines Deutschen höher sei als der eines Franzosen und die Fäkalien der Deutschen auch schlechter röchen.

So amüsant das ist, so sehr schwebt im Subtext dieses heiter-gelehrten Buches die Sorge um die Buchkultur mit, Stichwort Digitalisierung. Als Bibliophiler und Sammler weiß Eco jedoch um deren Vorteile, freut er sich, dass Bibliografien und Kataloge nun leicht mitzuführen sind. Mit einer Erzählung aus der Perspektive eines E-Books verdeutlicht er aber auch, dass E-Books anders als analoge Bücher kaum von den Körpern und Erfahrungen anderer sprechen können. Im Gegenteil: Sie erleben, wie Ecos E-Book, eine Art Ich-Zerfall, weil sie nicht wissen, ob sie jetzt Anna Karenina, Marcel Proust oder Moby Dick sind, wie viele Leben und Seelen wirklich in ihnen stecken. Zumal Umberto Ecos E-Book ein weiteres Problem kennt: „Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr in einen Text verliebe, denn am nächsten Tag könnte mein Benutzer ihn löschen.“ Dass E-Books so keine „Lebensversicherung“, keine „Vorwegnahme von Unsterblichkeit“ darstellen, wie Eco Bücher unter anderem charakterisiert, ist offensichtlich.Gerrit Bartels

Umberto Eco: 

Die Kunst des Bücherliebens. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser Verlag, München 2009. 198 S., 17, 90 €.

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